Das Volk sagt deutlich Ja zu einem Systemwechsel bei der Organspende: Künftig dürfen Lunge, Herz oder Niere entnommen werden, wenn nicht bekannt ist, was die betreffende Person gewollt hätte – und wenn die Angehörigen kein Veto einlegen. Das Referendum gegen diese sogenannte erweiterte Widerspruchslösung ist gescheitert. Blick klärt die wichtigsten Fragen zur neuen Regelung bei der Organspende.
Was passiert jetzt als Nächstes?
Die zuständigen Stellen beim Bund beginnen mit den Arbeiten, damit ein neues Widerspruchsregister erstellt werden kann, das auch online zugänglich ist. Dieses Register ist der Kern des neuen Gesetzes. Darin wird man festhalten können, ob man mit einer Organspende einverstanden ist oder nicht, Spitäler müssen es zwingend konsultieren. Daneben wird es für die konkrete Umsetzung des Gesetzes noch Verordnungen des Bundesrates brauchen, die etwa regeln, wer als Kreis nächster Angehöriger gilt oder innert welcher Frist diese einer Organspende widersprechen müssen. In Kraft tritt das Gesetz aller Voraussicht nach Mitte 2024, bis dann soll auch das neue Register einsatzbereit sein.
Ich will nicht, dass nach meinem Tod Organe entnommen werden. Was muss ich tun?
Ob man nun mit einer Organspende einverstanden ist oder nicht: Es ist wichtig, den eigenen Willen festzuhalten. Idealerweise trägt man diesen im neuen Register ein, das nun geschaffen wird, aber andere Formen wie zum Beispiel ein Vermerk in der Patientenverfügung sind auch möglich. Die Hauptsache ist, dass der dokumentierte Wille auch auffindbar ist. Weiterhin wird man neben dem grundsätzlichen Ja oder Nein festhalten können, ob nur bestimmte Organe oder zum Beispiel kein Gewebe entnommen werden darf. Wichtig ist auch, die Frage mit den Angehörigen zu besprechen, denn ohne dokumentierten Willen haben sie das letzte Wort.
Was, wenn ich vergesse, meinen Willen im Register festzuhalten? Darf man dann Organe entnehmen?
Das kommt darauf an, was die Angehörigen sagen. Wenn diese wissen oder annehmen, dass die sterbende Person keine Organentnahme gewollt hätte, darf diese auch nicht durchgeführt werden. Sind gar keine Angehörigen vorhanden oder können sie nicht erreicht werden, ist die Organentnahme verboten.
Grundsätzlich geht man künftig von einem Ja zur Organspende aus. Heisst das nicht, dass die lebenserhaltenden Maschinen dann früher abgestellt werden, damit man Organe entnehmen kann?
Das ist gesetzlich verboten. Die sogenannten vorbereitenden medizinischen Massnahmen – dabei geht es im Normalfall darum, die Organe zu erhalten – dürfen zwar schon durchgeführt werden, bevor geklärt ist, ob die Organentnahme erlaubt ist oder nicht. Allerdings gibt es dabei eine Reihe Bedingungen: So dürfen die Massnahmen zum Beispiel nicht den Tod beschleunigen.
Ich habe mir schon Gedanken gemacht und einen Organspendeausweis mit meinen Wünschen im Portemonnaie. Kann ich das Kärtchen jetzt entsorgen?
Lieber nicht! Auch andere Formen der Willensäusserung werden künftig gelten. Soll heissen: Wenn im künftigen Widerspruchsregister kein Eintrag vorhanden ist, der Organspender aber einen alten Ausweis dabei hat, wird dieser natürlich berücksichtigt. Das Gleiche gilt für Einträge im alten Organspende-Register. Ob es für das neue Register dann neue Kärtchen gibt, ist noch unklar.
Das bisherige Organspende-Register hatte signifikante Sicherheitsmängel. Wieso soll das bei einem neuen besser sein?
Das neue Register wird ein Register des Bundes sein, nicht von der privaten Stiftung Swisstransplant. Damit unterliegt es auch den Sicherheitsvorgaben des Bundes, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Nachfrage von Blick betont. Swisstransplant wird das neue Register zwar führen, dafür aber einen entsprechenden Leistungsauftrag erhalten und unter Aufsicht des BAG stehen. Ob die Daten aus dem alten Swisstransplant-Register übertragen werden, ist laut BAG noch offen.
Wie wird sichergestellt, dass auch wirklich mein Wille in diesem Register hinterlegt ist?
Ein Spital darf das Register erst dann konsultieren, wenn entschieden worden ist, lebenserhaltende Massnahmen abzubrechen. Via AHV-Nummer wird dann sichergestellt, ob die Hanna Muster aus dem Register auch die Hanna Muster im Spitalbett ist. Zugriff erhalten nur die zuständigen Fachpersonen in den jeweiligen Spitälern, die am Eintrag selbst natürlich nichts ändern dürfen. Wie man als betroffene Person selbst den eigenen Eintrag erstellen oder anpassen kann, muss nun noch definiert werden. Klar ist, dass das auch online möglich sein muss.
Unter Umständen werden Organe bei Menschen entnommen, die das nicht gewollt hätten – weil sie sich etwa nicht informieren. Wie soll das verhindert werden?
Die Information der Bevölkerung ist ein Knackpunkt, den auch das Referendumskomitee hervorgehoben hat. Laut BAG soll die Einführung der neuen Widerspruchslösung von einer entsprechenden Kommunikationskampagne begleitet werden. Da bei der genauen Umsetzung aber noch manches offen ist, bestünden dazu aber erst «grobe Überlegungen». Der Bund will dafür Geld in die Hand nehmen: In den ersten drei Jahren nach der Einführung soll das Budget für die Organspende-Informationen von aktuell 1,5 Millionen auf 2,5 Millionen erhöht werden.