Kaum eine zelebriert das Schweizertum in Bundesbern derart wie SVP-Nationalrätin Yvette Estermann (54). Zur ihrer ersten Vereidigung als Nationalrätin 2007 erschien die in der ehemaligen Tschechoslowakei aufgewachsene Luzernerin in einer Tracht. Den Schweizerpsalm wollte sie als Staatssymbol geschützt wissen oder von einem Kinderchor gesungen auf der Parlamentswebsite veröffentlicht haben.
Und immer wieder singt sie das Hohelied auf die direkte Demokratie. Kein Wunder, denn neben ihrer Parlamentsarbeit greift sie selbst immer wieder auf das wohl wichtigste direktdemokratische Instrument zurück: die Volksinitiative. In über einem Dutzend Initiativkomitees war sie bisher mit dabei – bei verschiedenen SVP-Initiativen, aber auch mit eigenen Projekten.
Mit drei eigenen Initiativen gescheitert
Noch vor Beginn der Corona-Krise hat sie 2019 innert Kürze gleich drei nationale Volksinitiativen lanciert, bei denen sie auch als Erstunterzeichnerin fungierte. Anliegen, mit denen sie im Parlament nicht durchkam und die sie deshalb vors Volk bringen wollte.
Ein Begehren forderte steuerfreie AHV- und IV-Renten. Ein anderes mehr Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Kranken- und Unfallversicherung, mit dem sie die obligatorische Grundversicherung kippen wollte. Und ihr wohl prominentestes Anliegen: die Abschaffung der Zeitumstellung.
Dass sie den Versuch wagte, praktisch im Alleingang gleich mehrere Volksinitiativen zu starten, hat mit einem bekannten Vorbild zu tun: Dem Bergbauer Armin Capaul (70), der den direktdemokratischen Kraftakt mit seiner Hornkuh-Initiative schaffte und 2018 an der Urne mit 45 Prozent Ja einen Achtungserfolg erzielte.
Allerdings scheiterten alle drei Volksinitiativen Estermanns an der Hürde von 100'000 nötigen Unterschriften – jene für die Abschaffung der Sommerzeit schaffte gerade einmal gut die Hälfte.
Corona-Pandemie kam in die Quere
«Einerseits hat uns die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, andererseits fehlte uns eine grosse Organisation oder Partei im Rücken», analysiert Estermann. Sie habe auch den Aufwand unterschätzt, räumt sie ein. «Lanciert man selber eine Initiative, ist das ein Vollzeit-Job.»
Am Inhalt der Initiativen hingegen zweifelt sie nicht: «Es brauchte wenig Überzeugungsarbeit, damit die Leute unterschrieben haben. Die Anliegen kamen auf der Strasse sehr gut an.» Aus dem Scheitern hat sie gelernt. «Es braucht eine Organisation. Nur ein paar Privatleute schaffen es kaum.»
Impfpflicht-Verbot kommt vors Volk
Ein Vorsatz, den sie sich bei der Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», welche ein Impfpflicht-Verbot fordert, zu Herzen genommen hat. Eine breite Front von Corona-Skeptikern und Impfkritikern reichte die Initiative dieses im Dezember mit über 140'000 Unterschriften ein.
Estermann gehört zu den prominenten Köpfen des Komitees. Kaum erstaunlich, denn im Parlament fiel sie in den letzten zwei Jahren sie mit unzähligen Fragen und Vorstössen zur Corona-Thematik auf. So wollte sie etwa wissen, ob der «indirekte Covid-Impfzwang» mit der Religionsfreiheit vereinbar sei. Oder, warum der Bund keine Kampagne zur Stärkung des Immunsystems durchgeführt habe. Zudem forderte sie ein nationales Spuckverbot.
Zwei Anti-Abtreibungs-Initiativen lanciert
Auch bei ihren zwei neusten Initiativprojekten ist sie breiter abgestützt. Zusammen mit Parteikollegin Andrea Geissbühler (45, BE) hat sie gerade zwei Anti-Abtreibungs-Initiativen lanciert.
Ein Begehren fordert eine eintägige Bedenkzeit vor dem Schwangerschaftsabbruch. Die andere will Spätabtreibungen bei lebensfähigen Ungeborenen deutlich einschränken – nur bei akuter Lebensgefahr für die Mutter darf eine Abtreibung dann noch vorgenommen werden.
Die Abtreibungsfrage bringt Estermann auch im Parlament immer wieder aufs Tapet. «Der Schutz des ungeborenen Lebens ist eines meiner Kernanliegen», sagt sie. So zeigt sie sich denn auch zuversichtlich, dass die beiden Initiativen zustandekommen.
Das dürfte gelingen, denn hinter den Initiativen steht auch der Abtreibungsgegner-Verein Mamma, welcher schon das Begehren «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» vors Volk gebracht hat. Allerdings ist die Initiative mit 70 Prozent Nein gescheitert. Und so dürften auch die beiden neuen Initiativen an der Urne einen schweren Stand haben.
Welche Initiative liegt ihr am Herzen?
Doch was war bisher Estermanns wichtigste Initiative? «Immer die gerade aktuellste liegt mir am meisten am Herzen», sagt sie lachend.
Die Bilanz der Super-Initiantin kann sich durchaus sehen lassen. Auch wenn sie mit den drei eigenen Initiativen an der Unterschriftenhürde scheiterte, so war sie bei acht zustande gekommenen Begehren als Mitinitiantin im Boot.
Und immerhin eine hat sie an der Urne auch gewonnen: die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP.