Darum gehts
- Karin Keller-Sutter traf US-Finanzminister Scott Bessent in Washington
- Schweiz in Gruppe für schnelle Lösung des Zollstreits mit den USA
- US-Regierung unter anderem auch interessiert an dualem Bildungssystem der Schweiz
Es waren Stunden, in denen die Schweiz aussenpolitische Weichen gestellt hat. Zuerst nach Washington. Hier vermeldete Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) eine erleichternde Nachricht: Die Schweiz gehört zu einer Gruppe von 15 Ländern, mit denen die USA rasch eine Lösung in der Zollfrage finden will. US-Finanzminister Scott Bessent (63) spricht gar von den «Big 15».
Showdown auch in Peking: Aussenminister Ignazio Cassis (64) war in China unterwegs und setzte mit dem Besuch beim chinesischen Aussenminister ein Gegenzeichen. Er sagte, die Schweiz bevorzuge keine Seite. China, die USA und die EU seien die drei wichtigsten Handelspartner der Schweiz, rief er in Erinnerung. «Man kann nicht einfach einen von ihnen streichen.»
Die Schweiz sei gezwungen, sehr weit reichende Handelsbeziehungen zu unterhalten. Was derzeit passiere, sei ein «Unfall», sagte der Bundesrat mit Blick auf Washington. Cassis zeigte sich überzeugt, dass eine «Lösung gefunden» werde.
Der Unfall: Das ist US-Präsident Donald Trump (78). Er brach Anfang April mit angedrohten Strafzöllen einen globalen Handelskrieg vom Zaun. Da gibt es für die Schweiz jetzt offenbar einen Lichtblick: Es sei klar spürbar gewesen, dass auch seitens der USA ein Interesse bestehe, mit wichtigen Handelspartnern Verhandlungen aufzunehmen, sagte Keller-Sutter vor Medienvertretern am Donnerstagabend (Ortszeit) in Washington. «Und zu diesen wichtigen Handelspartnern gehören wir», ergänzte sie.
«Wirtschaft kann auch mit schlechten Lösungen leben»
Im Gespräch mit US-Finanzminister Bessent habe man vereinbart, dass eine gemeinsame Absichtserklärung erarbeitet werde, die dann hoffentlich rasch in ein Verhandlungsmandat münde, so Keller-Sutter. «Die Wirtschaft kann auch mit schlechten Lösungen und schlechten Gesetzen leben. Womit sie nicht leben kann, ist Unsicherheit», sagte die Bundespräsidentin.
Als wichtigen Fortschritt bezeichnete die Finanzministerin auch, dass die US-Regierung eine Stelle eingerichtet habe, die die Kontakte des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums mit der Schweizer Regierung koordiniere. «Das war vorher alles etwas schwierig, weil man nicht genau wusste, wer was zu sagen hat und wo sich was abspielt», sagte die Bundespräsidentin.
Interesse an Investitionen zur Reindustrialisierung
Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin (65) vertreten die Schweiz gemeinsam an der Frühlingstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington. Parmelin sagte nach seinem Treffen mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer, die Schweiz habe den USA durchaus einiges zu bieten. So seien die Amerikaner an grösseren Investitionen von Schweizer Unternehmen zur Reindustrialisierung der USA interessiert und wünschten eine stärkere Zusammenarbeit in den Bereichen Pharma und Bio-Tech.
Zudem interessiere sich die US-Regierung stark für das in der Schweiz übliche duale Bildungssystem. Der Wirtschaftsminister kündigte einen baldigen Besuch der amerikanischen Erziehungsministerin Linda McMahon (76) in der Schweiz an, die mehr darüber erfahren wolle.
Die globale Unruhe, die die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump ausgelöst hat, prägten die Gespräche am IWF-Treffen auch für die Schweizer Delegation. Sie glaube nicht, dass die Welt zurückkommen werde zur alten Ordnung, sagte Keller-Sutter. «Ich denke, dass wir hier einen klaren Umbruch sehen, der sich zwar schon früher gezeigt hat, jetzt aber sehr beschleunigt und halt auch disruptiv erscheint.» Man müsse sich innerhalb dieser neuen Spielregeln irgendwie arrangieren, so die Finanzministerin. «Ich habe den Eindruck, dass das noch nicht überall ganz angekommen ist.»
Aussenminister Cassis in China
Und Aussenminister Cassis? Er traf in Peking zur fast gleichen Zeit seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi (71). Die beiden sprachen ebenfalls über den Handelskrieg. «Die Schweiz und China wollen das Problem durch Dialog und in gegenseitigem Respekt lösen», erklärte Cassis. Ziel sei es, «die USA davon zu überzeugen, in eine multilaterale Diskussion zurückzukehren».
Die Frage, ob er in China über alternative Kanäle zur Vermeidung der US-Zölle gesprochen habe, verneinte Cassis. Das sei nie ein Thema gewesen. Er unterstrich die guten Beziehungen zwischen Bern und Peking und erinnerte an die 75-jährigen diplomatischen Beziehungen und das Freihandelsabkommen, welche die Schweiz und China verbinden.