UBS-Ökonom über Trump-Zölle
«Der Schaden ist schon angerichtet»

UBS-Chefökonom Daniel Kalt sieht im Zoll-Eklat einen Schock für die Weltwirtschaft. Die Schweiz könnte mit einem blauen Auge davonkommen.
Publiziert: 24.04.2025 um 20:19 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2025 um 20:49 Uhr
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Seine Zollpolitik lastet auf der Weltkonjunktur: US-Präsident Donald Trump.
Foto: Keystone

Darum gehts

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Peter Rohner
Peter Rohner
Handelszeitung

Die Schweiz hat noch mal Glück gehabt. Die Kehrtwende von Donald Trump und die Suspendierung der länderspezifischen Zölle bedeuten: Statt des angedrohten Ausgleichszolls von über 30 Prozent gilt nun vorerst ein Satz von 10 Prozent wie für die meisten anderen Länder. Aber als exportorientierte Volkswirtschaft leidet die Schweiz besonders stark unter dem Zollkonflikt und der Unsicherheit, die auf den Aussichten für die Weltkonjunktur lasten. Daniel Kalt, UBS-Chefökonom Schweiz, erklärt, was das für die Industrie, die SNB und die Anlagepolitik bedeutet.

Die UBS hat die BIP-Wachstumsprognose für 2025 nach dem Liberation Day von 1,5 auf 1 Prozent gestutzt. Ist diese nach dem Zurückkrebsen von Donald Trump schon wieder Makulatur?
Daniel Kalt: Tatsächlich könnte man bei dieser erratischen Politik in Versuchung kommen, die Prognose wöchentlich zu ändern. Aber an den Schweizer Wirtschaftsaussichten hat sich durch die Aufhebung der hohen Zölle gar nicht so viel geändert. Denn der grösste Teil des Schadens ist ja schon angerichtet: Die allgemeine Verunsicherung hemmt die Investitionen und führt zu einem schwächeren Konsum, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Wir bleiben deshalb für 2025 bei der Prognose von 1 Prozent realem Wirtschaftswachstum in der Schweiz.

Die Stimmung der US-Konsumenten und Unternehmen hat sich stark eingetrübt. Sehen Sie Ähnliches in der Schweiz?
In den USA hat die Stimmung früher gedreht. Denn zuerst ging Trump mit dem Zollhammer auf Mexiko und Kanada los. Das verunsicherte auch die zuvor optimistischen KMU. Die Schweiz und viele andere Länder sind erst am 2. April ins Visier der US-Zölle geraten. Doch die Umfragen stammen vom März und zeigen nur ansatzweise eine Verschlechterung. Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor etwa ist von 56,8 auf 50,6 gefallen. Was wir aber von den Unternehmen hören, ist klar: Die Verunsicherung ist gross, man wartet zu – und davon sind auch grössere Investitionsprojekte betroffen. Es gibt aber Unterschiede: Unternehmen in Nischen und mit Technologieführerschaft berichten, dass sie die Zölle einfach weiterverrechnen. Andere sind stärker betroffen und Berichten von stornierten Aufträgen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Welche Rolle spielt der Franken?
Die Zulieferer, die zum Beispiel die europäische Autoindustrie bedienten, waren schon vor der Zolleskalation geschwächt, und jetzt kommt mit dem Franken eine weitere Belastung dazu. Da müssen sich die Firmen Gedanken machen. Es wird wohl einen Anstieg der Kurzarbeit geben. Auch wenn zurzeit vor allem der Dollar zum Franken an Wert verliert, ist für die Schweizer Industrie und die SNB der Euro-Kurs wichtiger. Der faire, inflationsbereinigte Euro-Franken-Kurs liegt nach unserer Schätzung leicht unter Parität. Das heisst, bei den aktuellen 92,5 Rappen ist der Franken zum Euro bereits überbewertet. Das ist vor allem für kleinere Betriebe ein Problem, die das Wechselkursrisiko nicht so einfach mit Fertigung im Ausland oder Hedging-Strategien reduzieren können.

Das beschäftigt auch die Nationalbank.
Die jüngste Aufwertung des Frankens muss der SNB zu denken geben. Wenn der Euro unter 90 Rappen fällt, wäre es denkbar, dass sie noch vor dem nächsten Zinsentscheid im Juni an einer ausserordentlichen Sitzung den Leitzins senkt, um ein Signal zu setzen. Und sie muss sich auch Gedanken über Deviseninterventionen machen. Da Devisenkäufe mit Blick auf den laufenden Handelskonflikt aber heikel sein können, wird sie zuerst auf Zinssenkungen setzen. Vor dem Liberation Day waren wir der Ansicht, dass der Tiefpunkt des Leitzinses bei 0,25 Prozent liegen würde. Nun aber sind auch Zinsen von null oder darunter nicht mehr auszuschliessen. Wenn sich nun aber die Lage an den Märkten weiter beruhigt und der Druck auf den Franken nachlässt, kann die SNB das bisschen Pulver noch im Trockenen halten.

Das hängt wohl stark vom Zollstreit ab und von der Entwicklung in den USA. Droht dort eine Rezession?
Wir rechnen mit einer milden Rezession und noch 1 Prozent BIP-Wachstum im Jahr 2025. Das basiert auf der Erwartung, dass die US-Regierung den effektiven durchschnittlichen Zollsatz bis in den Herbst auf 10 bis 15 Prozent heruntersetzt.

Sind die Aussichten für die Euro-Zone wegen des deutschen Investitionspakets besser?
Eine baldige Wirkung ist vom Stimulus in Deutschland, der zwar vom Volumen her substanziell ist, nicht zu erwarten. Bis der erste zusätzliche Bagger auffährt und sich das in der realen Wertschöpfung niederschlägt, wird es Mitte 2026 oder noch später. Da ist die starke Regulierung wie etwa die langwierigen Submissionsverfahren für Infrastruktur- und Rüstungsprojekte ein Hindernis. Zuerst aber wird die Konjunktur wie überall gebremst, weil kaum mehr investiert wird und weil Lieferketten durcheinanderkommen und dies den Warenfluss beeinträchtigt. Das allein wird das Weltwirtschaftswachstum um 1 Prozentpunkt dämpfen.

Was heisst das für Ihre Anlagepolitik? Empfehlen Sie nur noch Gold und Schweizer Immobilien?
Nicht zwingend: Eine breite Diversifikation bleibt wichtig, da gehören Gold und Immobilien ebenso dazu wie andere Realwerte wie Aktien. Total umkrempeln sollte man ein gut diversifiziertes Portfolio nun aber nicht. Wer jedoch zu wenig Aktien hat, kann nun gestaffelt einsteigen. Wenn unser Basisszenario eintritt und die Zölle auf ein erträgliches Mass gesenkt werden, können die Aktienkurse Ende Jahr höher stehen als heute.

Wird bei 1 Prozent Wachstum die Beschäftigung sinken und damit auch die Zuwanderungsdebatte abflauen?
Für einen Beschäftigungsrückgang bräuchte es eine scharfe Rezession. Ich glaube aber nicht, dass es so schlimm wird und das Beschäftigungswachstum zum Erliegen kommt. Allein schon wegen des demografisch bedingten Arbeitskräfteschwunds werden wir weiterhin auf Immigration angewiesen sein. Und die Zuwanderungsdebatte wird bleiben.

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