Streit um Finanzen der Rentenkasse
Droht der AHV die Pleite?

Im Abstimmungskampf um die AHV-Reform färbt die Linke die AHV-Finanzen schön, die Rechte hingegen redet sie schlecht. Fakt ist: Eine AHV-Pleite ist ausgeschlossen. Notfalls kommt nämlich Notrecht zum Zug.
Publiziert: 13.09.2022 um 15:43 Uhr
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Ist genügend Geld im Rententopf?
Foto: imago images/photothek
Ruedi Studer

Wie stehts um die AHV? Im Abstimmungskampf um die Rentenreform ist die Finanzlage des Sozialwerks ein heiss diskutiertes Thema. Die Linke färbt die AHV-Finanzlage schön, die Rechte hingegen redet sie schlecht.

Die Gegner der AHV-Reform verweisen gern auf den 2,6-Milliarden-Franken-Gewinn im letzten Jahr. Ebenso darauf, dass Bundesrat Alain Berset (50) seine Finanzprognosen um rund 16 Milliarden Franken bis 2032 massiv nach oben korrigieren musste. Tatsächlich wird das AHV-Loch kleiner.

Aber eben – wenn keine Zusatzeinnahmen fliessen, kommt es in einigen Jahren zu Defiziten in der AHV-Rechnung und der Kassenstand sinkt. Das lässt die Linke gerne unter den Tisch fallen. Ebenso wie den Fakt, dass die AHV-Kasse vor allem dank der 2019 angenommenen Staf-Vorlage wieder besser dasteht, weil ihr seitdem jährlich gut zwei Milliarden Franken zusätzlich zufliessen.

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Umgekehrt üben sich Wirtschaft und Bürgerliche in Schwarzmalerei. «Das Defizit der AHV wächst ungebremst», schimpften sie kürzlich in einem offenen Brief an die Gewerkschaften. Was so aber nicht stimmt, zumindest bis 2028 prognostiziert der Bund jährliche Überschüsse in der AHV-Rechnung. «Ohne Reform ist die AHV im Jahr 2040 bankrott», malt auch FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (28) den Teufel an die Wand. Der AHV-Fonds «könnte keine Renten mehr auszahlen».

AHV-Pleite «nicht zulässig»

Kann die AHV wirklich pleitegehen? Fliessen plötzlich keine Renten mehr? Die Antwort ist schlicht: Nein. Sie darf nämlich nicht! Das bestätigt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV): «Die Bundesverfassung verpflichtet Bundesrat und Parlament, dafür zu sorgen, dass die AHV ihre Aufgabe dauerhaft erfüllen kann», erklärt Sprecher Harald Sohns. «Dazu müssen sie auf Gesetzes- und Verordnungsstufe die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Finanzierung sicherzustellen.»

Das AHV-Gesetz hält zudem fest, dass für Rentner grundsätzlich ein AHV-Anspruch gilt – die Renten müssen also bezahlt werden.

Sohns weist zudem auf eine weitere Regelung hin, wonach der AHV-Ausgleichsfonds in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken darf. «Der Ausgleichsfonds ist somit auch ein ‹Puffer›, der es erlauben soll, schlechte konjunkturelle Phasen zu überbrücken und der Politik genügend Zeit für die notwendigen Anpassungen zu geben, um das finanzielle Gleichgewicht sicherzustellen», erläutert der BSV-Sprecher. «Eine ‹Pleite› wäre somit nicht zulässig.»

Stimmvolk ebenso in Verantwortung

Bundesrat und Parlament müssten rechtzeitig also so handeln, dass diese Situation nicht eintreten kann. Das heisst aber auch: Falls sich die Bundesparlamentarier nicht einigen könnten, müsste der Bundesrat im äussersten Fall mit Notrecht eingreifen – und beispielsweise aus der Bundeskasse Gelder für die AHV freimachen. Theoretisch könnte er die Mehrwertsteuer oder das Rentenalter erhöhen. Oder gar die Renten kürzen. Mit Notrecht wäre für Zündstoff gesorgt.

Der Bund sieht daher die Bevölkerung in der Pflicht: «In der Verantwortung steht natürlich auch das Stimmvolk, damit von Bundesrat und Parlament aufgegleiste Lösungen auch umgesetzt werden können», sagt Sohns. Er verweist auf die anstehende AHV-Reform: «Bundesrat und Parlament haben eine Reform vorbereitet, welche die Finanzierung der AHV für die nächsten zehn Jahre ins Gleichgewicht bringt. Nun ist das Stimmvolk am Zug.»

Für Diskussionsstoff bleibt gesorgt

Doch egal, wie das Resultat am 25. September ausfällt, die AHV braucht künftig sowieso einen weiteren Ausgleich. Die Linke will das Problem über Mehreinnahmen lösen, etwa aus Nationalbank-Gewinnen, höhere Lohnbeiträge oder einen Finanztransaktionssteuer zugunsten der AHV.

Die Bürgerlichen hingegen stellen ein höheres Rentenalter für alle in den Fokus – eine jungfreisinnige Volksinitiative für Rentenalter 66 und höher ist im Parlament hängig. Für Diskussionsstoff ist auch nach der Abstimmung gesorgt.

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