Im Abstimmungskampf um die AHV-Reform liegen die Nerven blank. In der heissen Schlussphase nehmen die Gehässigkeiten noch einmal zu. Bürgerliche und Wirtschaftsvertreter werfen den Gewerkschaften in einem offenen Brief «Lügen» vor. Und rufen die Gewerkschaften zu mehr Sachlichkeit auf.
Doch das haben diese nicht im Sinn. Die Gewerkschaften setzen weiterhin auf Provokation: In einem neuen Video reiten die sie eine Attacke auf Manager und Topverdiener.
Die Versicherungs- und Bankenlobby wolle die Bevölkerung immer länger arbeiten lassen. Auch der Bundesrat wolle ein höheres Rentenalter über 65 Jahre hinaus. Gleichzeitig würden sich Manager und Bundesräte «sobald möglich» frühpensionieren lassen oder weniger arbeiten, so der Vorwurf im Clip, der in den sozialen Medien veröffentlicht wurde.
Ex-Bundesräte im Visier
Dabei spielen die Gewerkschaften voll auf den Mann beziehungsweise die Frau. Wer sich für die AHV-Reform starkgemacht hat, wird ins Visier genommen. So wird etwa Swiss-Life-Verwaltungsratspräsident Rolf Dörig (65) quasi als Heuchler an den Pranger gestellt, weil er mit 63 sein Pensum reduziert habe. Ebenso die ehemaligen Bundesräte Eveline Widmer-Schlumpf (66) und Adolf Ogi (80), die bereits mit 59 Jahren eine Altersrente in der Höhe von aktuell 224'000 Franken – ein halbes Bundesratsgehalt – jährlich bezogen hätten.
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Was die Gewerkschaften allerdings verschweigen: Die ins Visier genommenen Personen haben sich nicht einfach aufs Altenteil zurückgezogen, sondern durchaus andere Mandate erfüllt. Widmer-Schlumpf etwa amtiert als Präsidentin von Pro Senectute. Und Ogi war lange als Uno-Sonderberater für Sport unterwegs oder präsidierte die Schweizer Berghilfe.
Wer sich früher pensionieren lässt
Worauf die Gewerkschaften mit ihrem Video eigentlich abzielen: In vielen Branchen müssen längst nicht mehr alle bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten, wie der SonntagsBlick jüngst aufgezeigt hat. So gehen Mitarbeitende von Banken und Versicherungen im Durchschnitt bereits mit 62 in Rente. Auch Beamte machen weit vor 65 Dienstschluss.
«Arbeitnehmenden mit tieferen und mittleren Einkommen bleibt hingegen nichts anderes übrig, als bis zum regulären Rentenalter zu arbeiten und danach mit tiefen Renten durchzukommen», hält der Gewerkschaftsbund in einer Stellungnahme fest. «Frühpensionierungen sind in der Schweiz ein Privileg der Reichen.»
Allerdings gibt es auch jene, die sich aus gegenteiligen Gründen früher pensionieren lassen – etwa, weil sie wegen Invalidität oder aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum ordentlichen Rentenalter arbeiten können.