Auf einen Blick
- Wohnungsmarkt angespannt: Mieten steigen, Angebot knapp, Mittelstand betroffen
- Situation in Deutschschweiz und Berggebieten besonders kritisch
- Personen mit tiefem Einkommen geben 44,8 Prozent des Budgets für Wohnkosten aus
Wer in der Schweiz eine günstige Wohnung finden will, hat es schwer. Das zeigt der neue Wohnmonitor des Bundesamtes für Wohnungswesen. Nach zwei Jahren Pause ist er nun aktualisiert und in ganz neuer Form publiziert worden.
Aus Sicht der Experten gibt die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt «zu Besorgnis Anlass». Der Markt sei insbesondere in der Deutschschweiz «sehr angespannt». Das Wohnangebot ist nochmals knapper geworden. Und anders als früher betrifft es nicht nur das unterste Preissegment, gerade der Mittelstand ist betroffen.
Das sind die Fakten
- Die Mieten und Kaufpreise sind wegen des knappen Angebots deutlich gestiegen. Mieterinnen oder Käufer erhalten für ihr Geld aber nicht mehr Qualität.
- Im Aargau, in der Zentralschweiz und um Zürich ist die Situation angespannt. Gar besorgniserregend ist die Situation laut dem Bund in gewissen Berggebieten: Im Berner Oberland und in Graubünden oder im Wallis, wo rund um Visp die Wirtschaft dank der Lonza boomt, aber die Wohnungen fehlen.
- Entspannter ist es in der Westschweiz. Wenig Sorgen machen muss sich, wer im Tessin oder im Jura eine Wohnung sucht.
- Eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht: Es werden im Vergleich zur Zahl neuer Haushalte klar zu wenig neue Wohnungen gebaut. Dies wird zu einer weiteren Verknappung führen.
- Im unteren Preisbereich gäbe es rein statistisch eigentlich genügend Wohnungen für Personen mit tieferen Einkommen. Weil aber für den unteren Mittelstand Wohnungen fehlen, weicht dieser auf günstigere Wohnungen aus und verknappt damit die Situation für Personen mit geringerem Einkommen.
Das sind die Folgen
- Insbesondere Familien und grössere Haushalte haben Mühe, wenn sie eine neue Wohnung suchen müssen.
- Für den Grossteil der Haushalte ist Wohneigentum gar nicht tragbar. Immer weniger Leute können sich eine eigene Wohnung oder ein Haus leisten. Die Quote ist in den letzten Jahren gesunken.
- Das Wohnen ist vor allem für Leute mit tiefem Einkommen eine finanzielle Herausforderung: 44,8 Prozent des Haushaltsbudgets gingen bei diesen Personen 2022 für die Wohnkosten drauf. 2018 waren es noch 40,8 Prozent gewesen. Im Schnitt sind es 27 Prozent des Einkommens.
- Im oberen Segment sind die Preise inzwischen so hoch, dass die Nachfrage abnimmt. Dieser Trend ist seit Ende 2023 zu beobachten.
Das sind die Lösungsvorschläge der Politik
Weniger Hürden: Der Schweizer Baumeisterverband befasst sich in seiner Agenda 125.0 ausführlich mit dem Thema. Für die Baumeister ist klar, wo man ansetzen müsste: «Die Bautätigkeit sinkt wegen Überregulierungen, Einsprachen und langer Bewilligungsverfahren.» Der Verband fordert eine Verdichtung, schlankere Bewilligungsverfahren, geringere Grenzabstände und höhere Ausnützungsziffern. Zudem sollen Arbeits- und Wohnzonen nicht mehr so streng getrennt werden wie heute.
Weniger Zuwanderung, weniger Auflagen: Gregor Rutz (52, ZH) ist Präsident des Hauseigentümerverbandes und SVP-Nationalrat. Als Politiker setzt er unter anderem bei der Zuwanderung an. «Insbesondere in den Städten ist die Nachfrage nach Wohnungen aufgrund der Zuwanderung stark gestiegen. Dieses Problem können wir nur durch eine Regulierung der Zuwanderung entschärfen.» Als Präsident der Hauseigentümer fordert Rutz ein investitionsfreundlicheres Klima, damit mehr Wohnungen gebaut werden. «In den Städten ist es besonders schwierig zu bauen, es gibt enorme Auflagen und es dauert ewig, bis man eine Baubewilligung hat», sagt er. Rutz verweist auf die Stadt Zürich: «Wo will man verdichten, wenn nicht in der Stadt Zürich?» Doch der Stadtrat will eine Initiative, die Aufstockungen auf bisherigen Gebäuden fordert, für ungültig erklären lassen. Gleichzeitig stehen in der Stadt drei Viertel der Siedlungsfläche unter Schutz. Und nicht zuletzt habe die Stadt Landkäufe getätigt, die sich kein Privater leisten könne. «Auch dies führt zu steigenden Preisen.»
Mehr Landpolitik, mehr Genossenschaften: Ganz anders als der Hauseigentümerverband sehen die Lösungsvorschläge des Mieterinnen- und Mieterverbandes aus. Dieser hat eine Initiative lanciert, die überhöhte Renditen bei den Mieten deckeln will. Michael Töngi (57), Vizepräsident des Verbandes und Grünen-Nationalrat, sieht noch weitere Möglichkeiten, um der Situation entgegenzuwirken: «Wir müssen Genossenschaften und gemeinnützige Wohnbauträger stärker unterstützen.» Vorstellen kann er sich auch Zonen für preisgünstigen Wohnraum oder das Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand, um an Land zu kommen. «In den Städten braucht es eine aktive Landpolitik», sagt der Luzerner. «Wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass auch bei wachsender Bevölkerung alle eine zahlbare Wohnung finden.»
Der Bundesrat hat bereits im April gewisse Massnahmen kommuniziert. Dazu gehört, dass in gewissen Kantonen auf einem Formular der Mietzins genannt werden muss, den die Vormieter bezahlt haben.