Sperma vom Staat
Bund will bei den Hengsten sparen

Der Bund kauft jedes Jahr Hengste, um deren Sperma weiterzugeben – doch aus Spargründen muss das Nationalgestüt seinen Stall nun verkleinern. Nicht nur Züchter sind besorgt.
Publiziert: 29.01.2024 um 17:18 Uhr
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Das Nationalgestüt in Avenches hat unter anderem den Auftrag, die Freiberger-Rasse aufzuwerten.
Foto: Keystone
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Sie heissen Netflix de Wallenried, Harry Potter de la Grand-Fin oder Don Adonis. 60 Freiberger-Hengste besitzt der Bund. Er verkauft das Sperma der Pferde an Züchter, mit dem Ziel, den Erhalt der einzigen Schweizer Pferderasse zu sichern. 100 oder 200 Franken kostet es, eine Stute von einem Bundeshengst besamen zu lassen – die sogenannte Decktaxe.

Doch die Sparbemühungen beim Bund machen auch vor dem Nationalgestüt in Avenches VD nicht halt. Um Kosten zu sparen, will die Forschungsanstalt Agroscope die Zahl der Bundeshengste bis 2030 von 60 auf 45 reduzieren. Das hat sie vor Kurzem beschlossen.

6 Millionen fürs Nationalgestüt

Der Abbau des Hengstbestands erfolge durch «natürliche Abgänge», teilt Agroscope mit. Will heissen: Tiere, die zu alt sind für die Zucht oder krank, werden nicht mehr ersetzt. Zwar sollen auch künftig Steuergelder eingesetzt werden, um junge Zuchthengste zu kaufen. Aber weniger als bisher. Der Bund will so in den nächsten Jahren knapp eine halbe Million Franken jährlich sparen. Dies bei einem Jahresbudget fürs Gestüt von 5,6 Millionen Franken.

Die Sparpläne sorgen für Kritik – nicht nur beim Verband der Freibergerpferde, der deswegen beim Bund interveniert hat. «Das Nationalgestüt ist enorm wichtig für die Förderung und den Erhalt der Rasse», sagt Pauline Queloz (33), Geschäftsführerin des Freiberger-Verbands.

«Rasse wird geschwächt»

Auch die jurassische Regierung zeigt sich in einer Mitteilung besorgt über den Hengstabbau. Schliesslich sinkt der Freiberger-Bestand seit Jahren. Der Jura ist die Heimat der Freiberger, hier findet jährlich die nationale Pferdeschau, der Marché-Concours, statt.

Die Rasse sei zwar kurzfristig nicht gefährdet, sagt der zuständige Regierungsrat Jacques Gerber (50) zu Blick. Weniger Hengste würden aber dazu führen, dass die genetische Vielfalt der Rasse verringert werde. Ausserdem würden die Pferdehalter entmutigt. Denn es bestehe die Gefahr, dass die Hengstpreise sinken, weil der Bund heute faktisch die Preise bestimme. «Mittel- und langfristig wird der Rückgang der Hengstkäufe durch das Gestüt die Rasse also schwächen, anstatt sie zu stärken», sagt Gerber. Der Kanton verlangt, dass die Behörden noch einmal über die Bücher gehen.

Auch im Parlament waren die Sparpläne bei den Bundeshengsten schon Thema. Der Berner SVP-Nationalrat Ernst Wandfluh (47) wollte vom Bundesrat wissen, wie er die Zukunft des Nationalgestüts sieht. Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (64) versicherte, dass dieses «die ihm übertragenen Aufgaben auch in Zukunft vollumfänglich erfüllen» könne, trotz Hengstabbau.

Auf Anfrage führt Agroscope aus, dass man weiterhin Hengstsamen einfriere, um die genetische Vielfalt der Rasse sicherzustellen. Fördern will der Bund zudem die künstliche Besamung.

Widerstand gegen Abschaffung

Dennoch: Man müsse dem Bund auf die Finger schauen, findet SVP-Nationalrat Wandfluh. Schon mehrfach ist das Nationalgestüt, das zu einer Zeit gegründet worden war, als auf den Feldern Pferde noch Pflüge zogen, ins Visier von Sparbemühungen geraten. Anfang der 90er-Jahre wollte der damalige Finanzminister Otto Stich (SP, 1927-2012) die Bundesgelder streichen, rund 20 Jahre später wagte der Freisinnige Hans-Rudolf Merz (81) einen Versuch. Doch das Parlament wehrte sich. Statt das Gestüt aufzulösen oder zu privatisieren, tat es das Gegenteil: Es verankerte den Fortbestand der Bundeshengste im Gesetz.

Auch im Bundesrat können die Pferdezüchter heute auf Unterstützung zählen. Umweltminister Albert Rösti (56) hat bis zu seiner Wahl in den Bundesrat den Freiberger-Verband präsidiert. Heute ist er deren Ehrenpräsident. Vor dem Sparhammer konnte allerdings auch Rösti die Bundeshengste nicht retten.

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