Darum gehts
- Glarner Megafusion: Finanzloch trotz Zusammenschluss
- Experte: Fusionen verbessern tendenziell Gemeindefinanzen, lösen nicht alle Probleme
- Seit 2000 verschwanden fast 25 Prozent aller Schweizer Gemeinden durch Fusionen
Aus 25 Gemeinden wurden drei: Es war ein Jahrhundertentscheid, den die Glarnerinnen und Glarner im Sommer 2006 an ihrer Landsgemeinde fassten. Seit 2011 besteht der Kanton deshalb nur noch aus dem Hauptort Glarus sowie den politischen Gemeinden Glarus Nord und Glarus Süd.
Wirtschaftliche Stabilität – das ist zumeist das grosse Argument für solche Zusammenschlüsse. Im Städtchen Glarus scheint dies nur bedingt gelungen: In der Staatskasse klafft ein Loch von vier Millionen Franken. Das hat einschneidende Konsequenzen: Um Einnahmen zu generieren, will der Gemeinderat etwa den Skilift verscherbeln. Und die Badi soll diesen Sommer nicht einmal öffnen. Hat die Megafusion versagt?
Glarner mussten «von oben herab» fusionieren
«Gemeindefusionen sind kein Allheilmittel», sagt Ursin Fetz (58), Experte an der Fachhochschule Graubünden. Dennoch ist die Schweiz im Fusionsfieber. Seit der Jahrtausendwende verschwanden beinahe ein Viertel aller Gemeinden – doppelt so viele wie in der gesamten Zeit zuvor seit der Gründung des Bundesstaats 1848.
Wie der Glarner Gemeindepräsident Peter Aebli (63) letzte Woche in der «Südostschweiz» sagte, sei das Finanzloch mit dem Zusammenschluss verbunden: «Einerseits weil die Gemeinden vor der Fusion nicht mehr investiert haben, andererseits weil man sich nach der Fusion finden musste und auch nicht investiert hat.»
Die radikale Glarner Neuorganisation stellvertretend für das System Schweiz zu nehmen, sei aber falsch, sagt Fetz. Die Grösse sowie die Art, wie der Entscheid entstand, sei untypisch: «Normalerweise darf in der Schweiz jede Gemeinde basisdemokratisch entscheiden, ob sie fusionieren will.» Auch im Kanton Glarus wurde die Fusion zwar demokratisch entschieden – jedoch urplötzlich und aus Sicht der Gemeinde «von oben herab» durch die kantonale Landsgemeinde.
Tendenziell verbessern sich die Gemeindefinanzen
Ein solch «drastischer Moment» bleibe daher auch nach mehr als einem Jahrzehnt noch in den Köpfen der Glarnerinnen und Glarner, so Fetz. Folglich gelte er bei Problemen rasch als Ursache.
Fetz bezweifelt jedoch, dass die Fusion tatsächlich viel zum aktuellen Investitionsstau beitrug. «Wir beobachten bei unseren Untersuchungen tendenziell eine Vergrösserung des finanziellen Spielraums», sagt er. Denn oft gebe es vom Kanton auch ein finanzielles «Anschub-Zückerchen».
Den Schweizer Gemeinden geht es laut dem Nationalen Gemeindemonitoring zwar gut. 2023 erhöhte nur rund jede siebte Gemeinde ihren Steuerfuss. Doch kommen Schweizer Gemeinden in finanzielle Bedrängnis, passiert dies oft abrupt. «Es geht dann beispielsweise um den Wegzug einzelner Firmen oder finanzkräftiger Personen, die zuvor einen tiefen Steuersatz ermöglichten», sagt Fetz.
Erst danach beginnt die tatsächliche Herausforderung. «In der Bevölkerung folgt rasch der Reflex, dass die Gemeinde statt einer Steuererhöhung zuerst sparen soll», so Fetz. Auch in Glarus wurde Erstere im letzten Herbst von der Gemeinde abgeschmettert.
Jetzt kommen die schwierigen Fusionen
Der Sparhammer hat am Ende also doch denselben Ursprung wie die Megafusion: die direkte Demokratie. Das führt nun dazu, dass das Tempo langsam abflacht. Nach den «einfachen» Fusionen würden jetzt die schwierigen Projekte folgen. In zahlreichen Kantonen – etwa Bern oder Waadt – walten weiterhin viele unabhängige Kleinstgemeinden.
Mit Ausnahme von Glarus hätten es dabei kantonal veranlasste Projekte schwer, so Fetz. Das beweise etwa die 2023 an der Urne abgeschmetterte Reorganisation der Gemeinden in Appenzell Ausserrhoden. «Wie die noch nötigen Fusionen umgesetzt werden, wird uns also noch lange beschäftigen.»