Es war ein Zufallsentscheid: Letzte Woche kippte der Ständerat mit 20 zu 19 Stimmen die Corona-Hilfe für Selbständige weitgehend aus dem Covid-19-Gesetz. Nur von einem direkten Tätigkeitsverbot Betroffene sollten noch Erwerbsersatz erhalten, indirekt Betroffene hingegen nichts mehr.
Ein Schlag ins Gesicht Zehntausender, die auch heute noch mit massiven Erwerbsausfällen zu kämpfen haben. Den Ausschlag für den Entscheid hatten insbesondere die CVP- und einige FDP-Ständeräte gegeben.
Ständerats-Entscheid korrigiert
Doch jetzt hat der Nationalrat das ständerätliche Verdikt korrigiert. Er hielt am Dienstag an seinem ursprünglichen Entscheid fest, den Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigung für Selbständige sowie Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung auszuweiten.
Erwerbsersatz soll nicht nur erhalten, wer seine Tätigkeit wegen der Corona-Pandemie unterbrechen muss, sondern auch, wer seine Tätigkeit wegen der Corona-Krise «massgeblich einschränken» muss. Anspruchsberechtigt sollen Personen mit einem Einkommen bis 150'000 Franken sein. Sie sollen täglich maximal 196 Franken Entschädigung erhalten. Die Regelung soll nahtlos die am Mittwoch auslaufende Notverordnung ablösen und bis Ende Juni 2021 gelten.
«Tschakka – Nationalrat korrigiert Ständerats-Chrüsimüsi», freute sich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (58, ZH) auf Twitter.
SP-Meyer kanzelt Bundeskanzler ab
Bundeskanzler Walter Thurnherrn (57) engagierte sich gegen die Ausweitung. Im Ständerat hatte er noch eine knappe Mehrheit hinter sich geschart. Es bestünden noch viele Unklarheiten, wie viele Personen den Erwerbsersatz in Anspruch nehmen würden und wie lange. Ebenso sei unklar, was eine «massgebliche Einschränkung» bedeute.
SP-Nationalrätin Mattea Meyer (32, ZH) liess Thurnherrs Schwarzmalerei aber nicht gelten. Sie erinnerte daran, dass im vergangenen halben Jahr rund 170'000 Selbständige Erwerbsersatz beansprucht hätten – in der Höhe von 1,7 Milliarden Franken. Künftig müsse man die Ausfälle nachweisen. Unter dem Strich würden also viel weniger Selbständige eine Entschädigung beziehen. «Es geht jetzt um jene, die weiterhin leere Bücher haben», kanzelte Meyer den Bundeskanzler ab.
Im Nationalrat war die Lösung unbestritten. Damit stehen die Chancen gut, dass der Ständerat in dieser Frage einlenkt.
Differenzen bei Kultur und Sport
Es ist aber nicht die einzige Differenz, die zwischen den beiden Parlamentskammern besteht. So möchte der Nationalrat, dass Mitarbeitende auf Abruf oder mit einem befristeten Arbeitsvertrag sowie Lernende Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben. Auch das lehnt der Ständerat ab.
Bei den Hilfsmassnahmen zugunsten der Kultur ist ebenfalls noch keine Einigung in Sicht. Wie der Bundesrat will der Ständerat für das nächste Jahr 80 Millionen Franken zur Unterstützung von Kulturunternehmen bereitstellen. Der Nationalrat will 100 Millionen Franken sprechen.
Keinen Konsens gibt es bislang auch bei den Spielregeln für die Darlehen für Sportvereine. Der Nationalrat will, dass der Bund dafür Rangrücktritte gewähren kann. Mit diesem Instrument kann eine kurzfristige Überschuldung überbrückt werden. Der Ständerat ist gegen solche Rangrücktritte. Klar ist dagegen, dass die Darlehen künftig nicht an die Ligen, sondern direkt an die Klubs vergeben werden sollen. Diese sollen dabei eine Sicherheit von 25 Prozent des betrieblichen Aufwands der Saison 2018/19 leisten müssen.
Härtefallklausel präzisiert
Unbestritten ist, dass im Gesetz eine Härtefallklausel für Unternehmen der Event-, Reise- und Tourismusbranche und für Schausteller verankert werden soll. Möglich sind auch À-fonds-perdu-Beiträge. Der Nationalrat hat den entsprechenden Artikel im Gesetz präzisiert.
Der Bund soll demnach nur bezahlen, wenn sich die Kantone auch daran beteiligen. Anspruchsberechtigt sollen nach Ansicht der grossen Kammer Unternehmen sein, die vor der Krise profitabel waren und nicht bereits andere Finanzhilfen des Bundes erhalten haben. Ausgenommen sind Kurzarbeits- und Erwerbsausfallentschädigungen sowie Covid-Bürgschaftskredite.
Voraussichtlich am Mittwoch wird der Ständerat das Paket ein zweites Mal beraten. Es handelt sich um ein sogenanntes dringliches Bundesgesetz, das wohl noch diesen September in Kraft tritt und in weiten Teilen Ende 2021 wieder ausläuft.