Viele Fahrlehrer, Coiffeure oder Lädeli-Besitzer können wieder wie gewohnt Kundschaft empfangen. Das Geschäft läuft.
Dennoch greift der Bund ihnen nach wie vor unter die Arme. Anfang Juli hat der Bundesrat entschieden, den Corona-Erwerbsersatz für direkt und indirekt von der Krise betroffene Selbständige bis Mitte September zu verlängern.
Geldsegen für Selbständige
Das Geld fliesst automatisch. Selbstständige, die seit der Aufhebung des Lockdowns keine Einbussen mehr zu beklagen haben, müssen das von sich aus bei ihrer AHV-Ausgleichskasse melden. Nur: Das machen längst nicht alle, wie BLICK aufdeckte.
Manche Selbstständige wissen schlicht nicht, dass sie am Zug wären. Andere wiederum dürften den zusätzlichen Corona-Batzen genüsslich einstreichen. Und dann hat BLICK Fälle mehrerer Personen publik gemacht, die sich bei der Ausgleichskasse meldeten, weil sie das Geld nicht wollten. Doch die Kassen rieten ihnen unverblümt, weiter die hohle Hand zu machen.
Zweites Zückerchen
Die Selbstständigen müssen beim Erwerbsatz zudem – im Gegensatz zur Kurzarbeitsentschädigung für die Angestellten – die Anzahl Ausfallstunden nicht angeben.
Das gehe gar nicht, findet FDP-Nationalrat und Gastro-Unternehmer Andri Silberschmidt (26). «Der Erwerbsersatz soll ebenfalls nur dann ausbezahlt werden, wenn ein Selbstständiger seine Ausfälle nachweisen kann», fordert er. Der Erwerbsersatz und die Kurzarbeitsentschädigung müssten diesbezüglich gleich behandelt werden.
«Der Bund könnte dann ähnlich wie bei der Kurzarbeit stichprobeartige Kontrollen durchführen und so fehlbaren Selbstständigen auf die Schliche kommen», sagt Silberschmidt. Er wolle kein Misstrauen gegenüber den Selbstständigen schüren, «sondern die Glaubwürdigkeit der Massnahme stärken».
Ausfallstunden aufschreiben!
Ausfallstunden aufschreiben? Das könnte für die Selbstständigen schon bald Realität werden. Denn die Gesundheitskommission des Nationalrats hat am Donnerstag einem entsprechenden Antrag von Silberschmidt zugestimmt. Das Covid-Gesetz soll so geändert werden, dass die Entschädigung nur dann ausgerichtet wird, «wenn ein Erwerbsausfall nachgewiesen werden kann».
Stimmt auch das Parlament der Nachweispflicht zu, wären in erster Linie Selbstständige betroffen, die über den September hinaus auf Corona-Hilfen angewiesen sind. Also etwa Künstler oder Festivalbetreiber. Selbstständige, die in den vergangenen Monaten Gelder bezogen haben, müssten ihre finanziellen Ausfälle nicht rückwirkend nachweisen.
«Kontrolle wäre schwierig»
Beim Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) steht man dem Vorschlag dennoch kritisch gegenüber: «Wenn wir vom Bundesrat einen Auftrag erhalten, führen wir diesen selbstverständlich aus», sagt Kommunikationschef Rolf Camenzind. «Aber was sich die Parlamentskommission wünscht, ist praktisch nicht umsetzbar.»
Das Problem sei, dass die Kassen die Erwerbsausfälle der Selbstständigen nicht unmittelbar kontrollieren könnten. «Wie sollen sie wissen, ob jemand die Ausfälle korrekt angibt?» Die Kassen könnten erst im Nachhinein, anhand der definitiven Steuerveranlagung, feststellen, ob das Einkommen im Jahr 2020 zu- oder abgenommen habe.
«Bis die Kassen diese Steuerveranlagung erhalten, kann es aber mehrere Jahre dauern», gibt Camenzind zu bedenken. Und ob ein tieferes Einkommen auch tatsächlich auf die Corona-Krise zurückzuführen ist, bleibe dann immer noch eine blosse Vermutung. Es könne auch sein, dass ein Selbstständiger 2020 ein neues Auto gekauft oder mehr in die zweite Säule einbezahlt habe.
«Kein Selbstbedienungsladen»
Bei der Kurzarbeitsentschädigung sei das anders, sagt er. «Dort müssen die Arbeitgeber eine monatliche Lohnbuchung führen.» Das mache die Kontrolle einfacher.
Hinzu komme, dass die Selbstständigen schon heute eine Mitwirkungspflicht hätten. Sie müssen ein Formular ausfüllen, in dem sie bestätigen, dass sie einen Erwerbsausfall hatten, sagt Camenzind. «Es ist schliesslich kein Selbstbedienungsladen!»
Die Erwerbsersatzordnung (EO) hat ihre Wurzeln im Ersten Weltkrieg. Viele Familien verarmten, weil die Väter Militärdienst leisteten und ihre Familie nicht mehr ernähren konnten.
Die Armut der Arbeiterfamilien war einer der Auslöser für den Landesstreik 1918. Um zu verhindern, dass sich ein solcher wiederholt, wurde 1940 die EO geschaffen. Sie entschädigt Soldaten für einen Teil des Erwerbsausfalls. Seit 2004 werden auch Mütter nach der Geburt eines Kindes für einen Teil des Erwerbsausfalls kompensiert.
In der aktuellen Krise wird die Erwerbsersatzordnung für die Unterstützung der Selbständigen eingesetzt. Das Taggeld wird durch die AHV-Ausgleichskassen jeweils am Ende des Monats ausbezahlt. Es beträgt 80 Prozent des Einkommens – höchstens aber 196 Franken pro Tag.
Der Bundesrat hat den Erwerbsersatz für Selbständige am 17. März eingeführt und Anfang Juli bis zum 16. September verlängert.
Die Erwerbsersatzordnung (EO) hat ihre Wurzeln im Ersten Weltkrieg. Viele Familien verarmten, weil die Väter Militärdienst leisteten und ihre Familie nicht mehr ernähren konnten.
Die Armut der Arbeiterfamilien war einer der Auslöser für den Landesstreik 1918. Um zu verhindern, dass sich ein solcher wiederholt, wurde 1940 die EO geschaffen. Sie entschädigt Soldaten für einen Teil des Erwerbsausfalls. Seit 2004 werden auch Mütter nach der Geburt eines Kindes für einen Teil des Erwerbsausfalls kompensiert.
In der aktuellen Krise wird die Erwerbsersatzordnung für die Unterstützung der Selbständigen eingesetzt. Das Taggeld wird durch die AHV-Ausgleichskassen jeweils am Ende des Monats ausbezahlt. Es beträgt 80 Prozent des Einkommens – höchstens aber 196 Franken pro Tag.
Der Bundesrat hat den Erwerbsersatz für Selbständige am 17. März eingeführt und Anfang Juli bis zum 16. September verlängert.