SP-Bundesrätin im Gegenwind
Von der Landesmutter zur einsamen Kämpferin

Am heutigen Abstimmungstag steht eine Frau im Mittelpunkt: Simonetta Sommaruga. Keine Politikerin verantwortet brisantere Dossiers.
Publiziert: 13.02.2022 um 09:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2022 um 11:13 Uhr
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An Baustellen mangelt es ihr nicht: SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Foto: Keystone
Camilla Alabor

In Bundesbern kann der Wind schnell drehen. Wer heute zu den Gewinnern zählt, gehört vielleicht schon morgen zu den Verlierern. Und umgekehrt. SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (61) kann davon ein Liedchen singen.

Noch 2020 erhielt sie viel Lob dafür, wie sie mit ihrer ruhigen und unerschütterlichen Art die Schweiz als Bundespräsidentin durch die Krise führte.

Nun, zwei Jahre später, steht Sommaruga nicht als Bundespräsidentin im Fokus, sondern als Vorsteherin des Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartements (Uvek). Und jetzt präsentiert sich die Situation ziemlich anders. Sommaruga steht im Gegenwind.

Aufreibende Debatten stehen bevor

Heute Sonntag entscheiden die Stimmbürger über das Schicksal des Mediengesetzes. Laut Umfragen könnte es knapp werden. Lehnt das Stimmvolk die Vorlage ab, stünde Sommaruga vor einem Scherbenhaufen. Erneut. Bereits im Juni 2021 verwarfen die Bürger eine Vorlage, die aus ihrem Departement stammte – und für die sich Sommaruga an vorderster Front eingesetzt hatte: das CO2-Gesetz. Die Bundesrätin brachte die Vorlage zeitgleich mit den beiden Agrar-Initiativen an die Urne; prompt resultierte ein Nein von 51,6 Prozent.

Wird das Medienpaket hingegen angenommen, könnte sie einen dringend benötigten Sieg verbuchen.

Denn im Hinblick auf künftige Vorlagen stehen der Energieministerin aufreibende Debatten bevor. Die Neuauflage des CO2-Gesetzes kommt im bürgerlichen Lager nicht gut an. Auch wenn es um die Energieversorgung geht, hat Sommaruga einen schweren Stand: Ihr runder Tisch, der einen Kompromiss zwischen Umweltverbänden und Wirtschaft im Hinblick auf den Ausbau einheimischer Energiequellen ermöglichen sollte, ist durch eine bürgerliche Allianz bereits wieder infrage gestellt. Angesichts dessen mehren sich in Bundesbern die Stimmen, die Sommaruga geschwächt sehen. Und dies, obwohl die Umweltministerin einige Erfolge vorzuweisen hat. Strengere Regeln für den Export von Pestiziden zum Beispiel oder die Verlängerung der Förderung erneuerbarer Energien.

Auf manche wirkt sie wie ein rotes Tuch

Klar ist: In der Politik wie auch im Leben geht es selten allein um die Sache. Wie souverän jemand auftritt oder wie gut er die Menschen mitnehmen kann, spielt mit hinein. Mit ihrer stets korrekten Art – Gegner sagen: oberlehrerhaft – wirkt Sommaruga auf manche konservative Wähler wie ein rotes Tuch. Dazu schlägt sie, aus bürgerlicher Sicht, oft die «falschen» Lösungen vor.

Diese Erfahrung macht auch Mitte-Nationalrat Martin Candinas (41). Im Berggebiet sei Sommarugas mangelndes Engagement gegen die Regulierung des Wolfs nicht gut angekommen, sagt der Bündner; man fühlte sich von der Umweltministerin im Stich gelassen. Und: «Ich muss mich meinen Wählern schon fast erklären, wenn ich in der ‹Arena› an der Seite von Bundesrätin Sommaruga für das Mediengesetz kämpfe.»

Dass sich die Lust mancher Politiker, sich an der Seite der SP-Bundesrätin zu engagieren, in Grenzen hält, zeigte sich sowohl beim Mediengesetz als auch bei der CO₂-Vorlage. Beim Mediengesetz war es die Mitte, welche die Vorlage ausbaute und die Subventionen von 73 Millionen auf über 150 Millionen mehr als verdoppelte. Der Gedanke dahinter war, die FDP an Bord zu holen, die Sommarugas Idee einer direkten Onlineförderung skeptisch gegenüber stand. Dennoch hielt sich die Mitte im Abstimmungskampf zurück.

Ein ähnliches Phänomen zeigte sich beim CO₂-Gesetz: Wichtige Elemente wie die Flugticketabgabe stammten von FDP-Ständeräten. Doch die von den Freisinnigen angeführte Kampagne kam lauwarm daher; an der Urne verwarf die FDP-Basis das Gesetz mehrheitlich.

Sie hat Übung darin, Kompromisse zu suchen

Dies macht deutlich, welch wichtige Rolle das Parlament spielt. Einzelne Politiker können eine Vorlage entscheidend verändern und ausbauen; auch gegen den Willen des zuständigen Bundesrats. Darum sei es unvollständig zu behaupten, ein Bundesrat habe diese oder jene Abstimmung verloren, findet FDP-Ständerat Andrea Caroni. «Abgestimmt wird primär über eine Parlamentsvorlage, nicht direkt über eine Vorlage des Bundesrats.»

Bei Sommaruga kommt hinzu, dass sie als SP-Bundesrätin stets einen Kompromiss finden muss zwischen dem, was sie für richtig hält, und dem, was das bürgerliche Parlament akzeptieren könnte. Dementsprechend hat sie Übung darin, Überzeugungsarbeit zu leisten, Kompromisse zu suchen – und damit immer wieder mal zu scheitern. Ebenso wie sie Übung darin hat, nach Niederlagen ihren Kritikern Red und Antwort zu stehen. Nicht ausfällig, nicht wütend, sondern wie immer: korrekt und gefasst.

Um dann mit einer neuen Vorlage den nächsten Anlauf zu wagen.

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