«Sollten sie dafür bezahlen»
Bildungsforscherin fordert mehr Maturanden

Die Schweiz hat zu wenig Hochgebildete. Das sagt Bildungsforscherin Gita Steiner-Khamsi. Sie fordert gezielte Förderung, damit mehr Menschen die Matur und ein Studium absolvieren.
Publiziert: 23.08.2023 um 11:38 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2023 um 11:46 Uhr
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Die Berufslehre gilt in der Schweiz als goldener Weg.
Foto: Keystone

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer machen die Matur: Waren es 1980 zehn Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger, heute sind es 20, mit Berufsmatur sogar fast 40 Prozent. 

Viele Experten sehen die «Verakademisierung» kritisch, Politiker fordern die Aufwertung der traditionellen Berufslehre. Auch die renommierte Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm (73) sagte kürzlich, dass viele Eltern in der Hoffnung auf bessere Karrierechancen von ihren Kindern die Matur einfordern würden. «Aber: 20 Prozent der Maturanden gehen nie studieren. 10 Prozent finden keine angemessenen Berufe. Man muss klar sehen: Nur die Gymi-Matur in der Tasche ist kein Ticket für Berufserfolg.»

«Manko an Hochqualifizierten»

Nun meldet sich eine andere Stimme zu Wort: Gita Steiner-Khamsi (66) fordert anders als alle anderen mehr Maturanden! «Wir haben echt ein Manko an hoch qualifizierten Schweizern. Wir bilden einfach nicht genug aus», sagt die Professorin der New Yorker Columbia-Universität gegenüber dem «Tages-Anzeiger»

Die Schweiz habe mit 65 Prozent im internationalen Vergleich einen der höchsten Berufswahlanteile. Dabei würden viele Berufe heute ein Studium verlangen. Die Folge: 60 Prozent der Berufe, die einen Uni- oder Hochschulabschluss, würden von Ausländerinnen und Ausländern besetzt.

Ausländer sind höher gebildet

Das belegen auch Zahlen des Bundes: Die ausländischen Arbeitskräfte sind im Schnitt oft besser ausgebildet als die Arbeitstätigen mit Schweizer Ausweis. So verfügen laut Bundesamt für Statistik rund 90 Prozent der Amerikaner und Russen über eine tertiäre Ausbildung, gefolgt vom Vereinigten Königreich (80,4 Prozent), den Niederlanden (76,3 Prozent) und Griechenland (72,7 Prozent). Bei Schweizerinnen und Schweizern beläuft sich der Akademiker-Anteil lediglich auf 48,2 Prozent. 

Doch das Land brauche «viel mehr Naturwissenschaftler, Juristinnen, Ärzte. Wir haben eine riesige Lücke, die sich in den hoch qualifizierten Berufen zeigt», so die Schweizer Forscherin. Steiner-Khamsis Forderung: «Wir sollten die Leute dafür bezahlen, dass sie ins Gymnasium gehen, einen Uniabschluss machen und dann Vollzeit arbeiten.» Skandinavien mache es vor: Dort gebe es Stipendien für Fächer, die unterbelegt sind und vom Arbeitsmarkt benötigt werden. 

Künstlich tiefe Maturitätsquote

Das rechne sich auch: Denn 65 Prozent der Leute, die eine Lehre gemacht haben, würden sich später weiterbilden. Der Anteil der Personen mit einem Berufsabschluss und anschliessender Hochschulbildung betrage heute sieben Prozent aller Beschäftigten. Noch vor 20 Jahren seien es nur 1,5 Prozent gewesen.

«Wenn man also die Gymnasialquoten nicht künstlich tief halten würde, gäbe es einige, die auf direktem Weg in die Tertiärbildung einsteigen anstatt auf dem Umweg eines Berufsabschlusses. Dies bedeutet Kosteneinsparungen für den Staat». (sf)

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