«Unsere Vorväter setzten sich mit Waffen durch»
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Die Gegner des Waffenrechts:«Unsere Vorväter setzten sich mit Waffen durch»

So ticken die Gegner des neuen Waffenrechts
Sind Menschen, die Waffen lieben, Narren?

Am 19. Mai 2019 entscheidet die Schweiz über ein neues Waffenrecht. Für die Gegner scheint das Schicksal der Eidgenossenschaft von der Vorlage abzuhängen. SonntagsBlick hat drei Gesichter der Nein-Kampagne besucht und versucht herauszufinden, wie sie ticken.
Publiziert: 31.03.2019 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2019 um 11:50 Uhr
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Am 19. Mai 2019 entscheidet das Schweizer Stimmvolk über ein neues Waffenrecht. Und einmal mehr scheint es nicht nur um eine einfache Gesetzesänderung und etwas mehr Bürokratie zu gehen, sondern um nichts Geringeres als den Fortbestand der Eidgenossenschaft. So jedenfalls sehen es die Gegner der Vorlage.
Foto: Siggi Bucher
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Am 19. Mai entscheidet das Stimmvolk über ein neues Waffenrecht. Bundesrat und Parlament möchten es den EU-Regeln anpassen, die Schützenverbände haben gegen diese Revision das Referendum ergriffen. Die Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz (IGS) entwickelte dazu eine Plakatkampa­gne. Einmal mehr scheint es nicht nur um eine einfache Gesetzesänderung und etwas mehr Bürokratie zu gehen, sondern um nichts Geringeres als den Fortbestand der Eidgenossenschaft. So jedenfalls sehen es die Gegner der Vorlage.

Der Bundesrat warnt, ein Nein würde die Mitgliedschaft im Schengen-Dublin-Verbund beenden, die Zusammenarbeit mit Europa im Bereich der Sicherheit und des Asylwesens werde aufs Spiel gesetzt.

«Das Gesetz enthält nichts, was das rechtfertigen könnte», so Justizministerin Karin Keller-Sutter (55). Und die eidgenössische Schiesstradition werde in keiner Weise gefährdet: «Niemand wird entwaffnet, und unsere Schiessanlässe wie das Feldschiessen, das Obligatorische, das Knabenschiessen, aber auch das wettkampfmässige Schiessen werden nicht gefährdet.»

Dennoch laufen Schützen und Waffenfreunde Sturm gegen das neue Gesetz. Auf ihren Nein-Plakaten sprechen sie vom «Entwaffnungsdiktat der EU» und erwecken den Eindruck, es gehe es um den Sieg am Morgarten und die Verteidigung des Réduits in einem. Das neue Gesetz sei nicht nur «nutzlos», sondern auch «freiheitsfeindlich», sogar «antischweizerisch».

Was sind das für Leute, für die das Schicksal der Schweiz von einer Waffenrichtlinie abzuhängen scheint? Alles nur Narren? SonntagsBlick hat drei Gesichter der Nein-Kampagne ausfindig gemacht und versucht he­rauszufinden, wie sie ticken. 

«Wer Freude an Waffen hat, ist noch lange kein Narr»

Daniel Wyss in seinem Waffengeschäft in Burgdorf BE.
Foto: Philippe Rossier

Peter Kammermann (48) aus Menznau LU, Sportschütze und Inhaber einer Büchsenmacherei: «Der Begriff Waffennarr ist ein irreführendes Medienwort. Wer Freude hat am Schiesssport und schönen Waffen, ist deshalb noch lange kein Narr. Als Büchsenmacher fasziniert mich der Gedanke, dass von mir bearbeitete Waffen auch in hundert Jahren noch benutzt werden können. Beim Schiessen wiederum reizt mich die sportliche Herausforderung. Ich würde mit einer Waffe aber nie auf Menschen zielen, selbst Paintball ist mir suspekt! Am verschärften Waffengesetz stört mich vor allem, dass es uns von der EU aufgezwungen wird. Das ist eines souveränen Landes wie der Schweiz unwürdig. Zudem ist es nutzlos zur ­Terrorbekämpfung. Terroristen schiessen nicht mit registrierten Waffen, sondern mit Waffen 
vom Schwarzmarkt. An Schweizer Schützenfesten können Bundesräte ohne Bodyguards herumlaufen. Nichtsdestotrotz sollen nun genau die Schützen kriminalisiert werden. Sie brauchen für ihr Sturmgewehr plötzlich eine ­Sonderbewilligung. Waffenbesitz wird vom Recht zum Privileg. Und in einigen Jahren werden wir unsere Gewehre höchstwahrscheinlich ganz abgeben müssen. Die nächste Verschärfung der EU kommt bestimmt! Wer in Recht und Ehren steht, soll eine Waffe besitzen dürfen – selbst wenn man nicht schiesst und nicht in einem Schützenverein ist. Wird mir dieses Recht genommen, beschneidet das meine Freiheit. Mehr Waffen sind zwar nicht per se eine Garantie für mehr Sicherheit. Aber mehr Waffen können mehr Sicherheit bringen, sofern die Waffenträger wissen, wie man richtig mit Waffen umgeht.»

«Wir brauchen das Recht auf Selbstverteidigung»

Peter Kammermann in seiner Büchsenmacher-Werkstatt in Menznau LU.
Foto: Siggi Bucher

Daniel Wyss (54) aus Burgdorf BE, Präsident des Schweizer Büchsenmacherverbands: «Das Wort Waffennarr höre ich nicht gerne. Es unterstellt, dass mit Waffenbesitzern geistig etwas nicht stimmt. Dabei zeigt die Statistik, dass von Waffenfreunden keine Gefahr ausgeht. Dieser Tatsache zum Trotz wurde das Waffenrecht seit 1999 neun Mal verschärft. Jägern, Sportschützen und Waffensammlern wird durch zusätzliche Auflagen das Hobby vermiest, ohne dass ­dadurch die Sicherheit erhöht wird. Mit der erneuten Verschärfung des Waffenrechts würden nun halbautomatische Waffen, also auch die Sturmgewehre 57 und 90, zu verbotenen Waffen. Man dürfte sie zwar weiterhin besitzen, aber nur, wenn man in ­einem Schiessverein ist oder regelmässig schiesst. Zur Verhinderung von Terroranschlägen nützen solche Regeln nichts. Zudem gehört das Recht auf eine Waffe zu den Grundrechten – vor allem in einer Demokratie. In der Schweiz ist der Bürger der oberste Chef im Staat. Wieso soll der oberste Chef keine Waffe tragen dürfen? 1291 haben sich unsere Vorväter mit ­ihrem Willen durchgesetzt, aber auch mit entsprechender Bewaffnung. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg haben unsere Grossväter und Urgrossväter ebenfalls mit der Waffe verhindert, dass der Schweiz etwas passiert. Heute ist die Welt nicht sicherer als nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Auf der ganzen Welt gibt es kriegerische Auseinandersetzungen, sogar hier in Europa. Wir brauchen in der Schweiz nach wie vor das Recht auf eine Waffe und auf Selbstverteidigung.»

«Ich bin nicht patriotisch»

Ines Kessler posiert in der Werkstatt mit einer historischen Pistole.
Foto: Philippe Rossier

Ines Kessler (26) aus Tägerwilen TG, Büchsenmacherin in Ausbildung: «Ich bin fasziniert von Technik jeglicher Art. Setzt man mir einen Motor vor die Nase, will ich ihn auseinandernehmen und verstehen, wie er funktioniert. Bei Waffen ist es dasselbe: Ich finde es spannend, wie ein Schuss entsteht und wie man ihn optimieren kann. Zudem hat jede Waffe ihre eigene Geschichte, die sich teilweise über hundert Jahre zurückverfolgen lässt. Dieses Interesse für Waffen bekam ich in die Wiege gelegt – mein Vater ist ebenfalls Büchsenmacher. An der geplanten Revision des Waffengesetzes stört mich zuerst einmal, dass einige Punkte technisch schwer umsetzbar sind. Wir als professionelle Händler müssten in Zukunft jedes noch so kleine Teilchen einer Pistole markieren. Diese Gravuren bringen mehr Arbeit, aber nicht mehr Sicherheit. Problematisch ist auch der Automatismus, der weitere EU-Verschärfungen bringen wird. Dass die Debatte bei Waffen immer sehr emotional wird, liegt wohl daran, dass Waffengegner nur den Missbrauch und die Gefährdung von Menschenleben hervorheben. Waffenliebhaber dagegen denken an ihr Hobby, das sie gewissenhaft ausführen. Die Freiheit und das Recht, als Schweizer Bürgerin Waffen zu besitzen, gibt mir ein Gefühl der Sicherheit, da hier niemand das Monopol auf Waffen hat. In der Schweiz müssen Waffen verschlossen aufbewahrt werden und man darf damit nicht auf der Strasse herumlaufen. Das ist sinnvoll, denn wir haben eine funktionierende Gesellschaft. Ich fühle mich wohl in der Schweiz, bin aber überhaupt kein patriotischer Mensch. Ich muss nicht ständig eine Schweizer Fahne aus dem Fenster hängen.»

Eidgenössische Abstimmungen am 19. Mai 2019

Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.

  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.

Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.

  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.
Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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