Polizei schleppt verdächtiges Auto ab
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Entwarnung in Bern:Polizei schleppt verdächtiges Auto ab

So haben Parlamentarier die Bundeshaus-Evakuierung erlebt
«Das Ereignis hat auf Schwächen im Sicherheitsdispositiv hingewiesen»

Nach dem Vorfall im Bundeshaus gab es Kritik am Evakuierungsdispositiv. Blick hat mit verschiedenen Parlamentarier über die Ereignisse gesprochen. Protokoll eines denkwürdigen Nachmittags.
Publiziert: 15.02.2023 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2023 um 07:29 Uhr
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Ein Mann in Kampfmontur wird vor dem Bundeshaus angehalten.
Foto: Leserreporter

Die Entwarnung kam kurz nach 19 Uhr. Die Kantonspolizei Bern teilte mit, dass sie – nach Stunden der Anspannung und Ungewissheit – die Absperrung rund um den Bundesplatz und das Bundeshaus aufheben konnte.

Was war passiert? Am Dienstagnachmittag startete die Polizei eine Grossaktion, die Bundesbern bis in die frühen Abendstunden in Atem hielt. Der Grund: Ein Mann in Kampfuniform wollte kurz vor 14 Uhr via Bundesterrasse ins Bundeshaus eindringen. Zuvor parkierte er sein Auto auf dem Bundesplatz, einen Jaguar S-Type. Die Polizei fuhr mit Sprengstoffroboter und -hunden auf, das Bundeshaus musste evakuiert werden.

Der Wagen soll zu diesem Zeitpunkt schon rund eine Stunde auf dem Bundesplatz gestanden sein, der Warnblinker war an. Parlamentarier witzelten noch, da habe sich einer den besten Parkplatz der Stadt ausgesucht. Noch ahnten sie nicht, was folgen sollte.

«Evakuierungsdispositiv nochmals überprüfen»

Zu den evakuierten Personen gehörte auch FDP-Ständerat Andrea Caroni (42). Er übte später scharfe Kritik am Evakuierungssystem im Bundeshaus. «Das Evakuierungsdispositiv im Bundeshaus sollten wir nochmals überprüfen», sagt er.

Rasch habe man das Sitzungszimmer verlassen, erzählt ein Ratskollege von Caroni. Die meisten hätten ihre Koffer mit Akten, Laptops, teilweise sogar das Portemonnaie zurückgelassen. «Wir wussten lange nicht, worum es eigentlich geht, wurden offiziell nicht informiert», sagt SVP-Ständerat Hannes Germann (66). Es seien da noch Sprüche geklopft worden. Rasch aber habe man gemerkt, dass das Sicherheitspersonal angespannt war.

Mitte-Ständerätin Heidi Z'graggen (57) sass mitten in der Sitzung der Rechtskommission, als auch sie aufgefordert wurde, das Parlamentsgebäude zu verlassen, wie sie erzählt. Allein: Sie erlebte die Evakuierung anders als Caroni und Germann. «Das ging alles ruhig vonstatten – auch die Art der Alarmierung: ruhig aber bestimmt», sagt sie.

«Entscheid zur Evakuierung war richtig»

Auch SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (62) befand sich am Dienstagnachmittag im Bundeshaus, als die Evakuierung angeordnet wurde. Er sagt: «Ich bin dann sehr schnell hinausgegangen. Für mich war klar: Der Entscheid zur Evakuierung war richtig.»

Ebenso wie Z’graggen sagt Nussbaumer: Der Entscheid sei gut kommuniziert worden und so sei für alle von der ersten Sekunde an klar gewesen, dass sie hinauszugehen und sich beim Sammelplatz einzufinden hätten.

Nussbaumer ist Mitglied der Verwaltungsdelegation des Parlaments. Diese hat die oberste Leitung des Parlaments inne und beschäftigt sich auch mit Fragen der Sicherheit. Zur Kritik am Evakuierungskonzept sagt er: «Klar, es kam zu einem kleineren Stau bei den Drehtüren des Parlamentsgebäudes. Da brauchte es Zeit, bis alle draussen waren, aber es war zu keiner Zeit hektisch.»

Personenschleusen verursachten Stau

SVP-Ratskollege Germann erkennt dennoch Verbesserungsbedarf. Dass sich sämtliche Parlamentsmitglieder durch die Personenschleusen zwängen mussten, «ist sicher ein No-go. Darüber habe ich mich noch gewundert.» Hätte es rasch gehen müssen, wäre das keine Lösung. Wenigstens hätten die meisten ihre Koffer nicht dabei gehabt, sonst wäre es noch enger geworden.

Auch Nussbaumer sagt, über die Drehtüren könne und müsse noch diskutiert werden. «Das werden wir in der Verwaltungsdelegation sicher anschauen.» Aber, hält er fest: Man müsse hier auch unterscheiden, was genau der Grund für die Evakuierung sei. «Gestern war relativ schnell klar, dass es um das Auto auf dem Bundesplatz geht und dass beim Sammelplatz für niemanden eine Gefahr bestand. Je nach Grund wäre in einem anderen Fall bestimmt anders entschieden worden.»

«Im Ernstfall wären wir auf dem Präsentierteller gewesen»

Nach Verlassen des Gebäudes gehen die Aussagen etwas auseinander. Die einen erzählen, die insgesamt 40 bis 50 Personen seien in Richtung des Hotels Bellevue weiter gewiesen worden. Einen eigentlichen Sammelplatz habe es nicht gegeben. «Niemand wusste so genau, was los ist und was nun genau zu tun ist», erinnert sich Germann. Es sei zur kleinen Völkerwanderung der Parlamentarier gekommen, mitten drin mehrere Bundesratsmitglieder, aber auch normale Spaziergänger.

Andere wissen nichts von Anweisungen. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier hätten keine Ahnung gehabt, was läuft. Spontan habe man sich entschieden, in Richtung Bellevue zu gehen. Dabei habe man sich ums Bundeshaus herum bewegt – und habe sich ungeschützt auf offener Fläche wieder nahe des Bundeshauses befunden. «Im Ernstfall wären wir auf dem Präsentierteller gewesen», sagt Caroni.

Es gebe nicht nur Verbesserungsbedarf bei baulichen Hindernissen an Gebäudeausgängen. Auch die Kommunikation sei sicher zu verbessern. «Wenn Abstimmungen anstehen, werden wir Parlamentarier via SMS informiert. Das müsste auch in einem solchen Ereignisfall möglich sein», findet FDP-Ständerat Caroni.

«Ich habe keine Angst gehabt»

Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) war in einer Besprechung mit Armeechef Thomas Süssli (56), als der Evakuierungsbefehl kam. «Ich habe keine Angst gehabt», erzählt sie am Mittwoch vor den Medien. «Ich dachte, es handle sich um eine Übung.» Erst später habe sie realisiert, dass dies nicht der Fall war.

Als der Alarm losging, sei sie «zwei bis drei Minuten» später draussen gewesen. Darauf hin habe die Mitte-Bundesrätin sofort einen Ansprechpartner gehabt und sei ins Restaurant Bellevue geschickt worden. Sie habe sich sicher gefühlt, so die Bundesrätin. Eines aber habe sie gelernt: Nächstes Mal würde sie ihren Laptop mitnehmen.

Bundesratssprecher André Simonazzi (55) versichert, es sei vorher geprüft worden, ob die Situation draussen sicher sei: «Man hätte die Leute nicht nach draussen geschickt, wenn es nicht sicher gewesen wäre.» Die Alarmierung werde nun analysiert und Lehren daraus gezogen.

Ereignis legt Schwächen bei der Sicherheit offen

«Man muss nun nicht übertreiben, aber: Das Ereignis hat sicher auf Schwächen im Sicherheitsdispositiv hingewiesen», findet SVP-Ständerat Germann. Er spricht etwa die Geschwindigkeit der Evakuierung und bauliche Hindernisse an oder die Information der Betroffenen sowie die Definition von Sammelpunkten. Mehrfach habe Unklarheit geherrscht.

Caroni doppelt nach: «Als alle draussen waren, haben wir uns zusammen auf dem Platz versammelt, ohne jeglichen Schutz.», sagte Caroni. Eine Situation, die der Ständerat als «bizarr» bezeichnete. «Das wäre das ideale Szenario für einen Angriff auf alle anwesenden Abgeordneten gewesen», sagte Caroni.

Evakuierungsübungen finden regelmässig statt

Verantwortlich für die Evakuierungspläne sind die Parlamentsdienste. Kommunikationschefin Karin Burkhalter sagt auf Blick-Anfrage: «Die Parlamentsdienste und das Bundesamt für Polizei Fedpol werden zeitnah die Abläufe analysieren und erkannte Verbesserungen in die Wege leiten.» Vorher könnten jedoch keine Schlussfolgerungen gezogen werden.

«Evakuierungspläne liegen vor, sie wurden mit dem Fedpol und weiteren Experten erarbeitet», sagt Burkhalter weiter. Evakuierungsübungen fänden regelmässig statt, auch mit National- und Ständerat.

Aber: Über Inhalte von Evakuierungsplänen und über weitere sicherheitsrelevante Details kann Burkhalter keine Auskunft geben.

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