Der Sonntag war historisch. Erstmals in der Geschichte der Schweiz wurde eine Initiative aus Gewerkschaftskreisen gutgeheissen – und dann noch deutlich: 61 Prozent der Stimmbevölkerung (und bis auf Appenzell-Innerrhoden alle Kantone) sagten Ja zur Pflege-Initiative.
Trotz fulminanten Siegs ist der Kampf der Pflegenden noch nicht vorbei. Denn jetzt geht es an die konkrete Umsetzung. Und für die Initianten ist klar: Einfach den Gegenvorschlag mit der Ausbildungsoffensive wieder aus der Schublade zu holen, reicht nicht.
Gegenvorschlag kommt zu neuen Ehren
Dennoch soll der bekämpfte Gegenvorschlag wieder eine Rolle spielen. Denn die Initianten schlagen vor, diesen in einem ersten Schritt nochmals ins Parlament zu bringen und schnell zu verabschieden. So verliere man bei der Ausbildungsoffensive keine wertvolle Zeit. Wie SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (35) in der Elefantenrunde auf Blick TV sagte, werde die SP am Montag eine entsprechende Motion in der Gesundheitskommission einreichen.
«Ich bin zuversichtlich, dass wir den indirekten Gegenvorschlag und damit die Ausbildungsoffensive schnell per Kommissionsmotion wieder ins Parlament bringen und umsetzen können», sagt SP-Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi (57). Denn allen Beteiligten sei klar, dass jetzt etwas passieren müsse.
Bürgerliche sind skeptisch
Allerdings tun sich die Bürgerlichen schwer damit. So sagte Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59) auf Blick TV, gleich morgen aktiv zu werden, sei wohl übereilt. Und SVP-Nationalrat Albert Rösti (54) machte auf SRF klar, dass der Gegenvorschlag vom Volk mit dem Ja zur Initiative abgelehnt worden sei. Daher müsse man nochmals von vorn anfangen.
Gysi bleibt trotzdem siegessicher: «Angesichts des deutlichen Resultats würde es mich erstaunen, wenn die bürgerlichen Parteien nicht Hand bieten würden.» Immerhin: FDP-Präsident Thierry Burkart (46) schloss auf Blick TV nicht aus, einzelne Elemente des Gegenvorschlags früher zu behandeln.
Bundesrat soll Arbeitsgruppe einsetzen
Mit dem Gegenvorschlag allein sind viele Forderungen der Initiative nicht umgesetzt. Dazu gehören etwa die Erhöhung der Pflegetarife, ein Personalschlüssel – also eine maximale Anzahl Patienten pro Pflegende – und Garantien für ausreichende Ruhezeiten. Hier steht der Bundesrat in der Pflicht. Für alles, was über den Gegenvorschlag hinausgehe, müsse die Landesregierung in spätestens zwölf Monaten eine Botschaft ans Parlament vorlegen, fordern die Initianten. Um diesen zu erarbeiten, schlagen sie eine Arbeitsgruppe mit Pflegenden und Sozialpartnern vor.
Die wirkliche Nagelprobe wird allerdings im Parlament warten: Denn schon jetzt warnen die Bürgerlichen vor unerwünschten Folgen. «Die Kosten werden sicher steigen», so SVP-Präsident Marco Chiesa (47) in der Elefantenrunde. Sollte Corona in ein paar Jahren vergessen sein, dürfte er damit auf offene Ohren stossen.