Volksinitiativen sind ein beliebtes Instrument, um Bundesrat und Parlament Beine zu machen. Wer es schafft, über 100'000 Unterschriften zu sammeln, weist damit oft auf Probleme oder Lücken im System hin. Vor Volk und Ständen reicht es aber selten für einen Abstimmungserfolg, die meisten Initiativen werden abgelehnt.
Doch immerhin 24 Volksbegehren fanden bisher die Gunst der Abstimmenden an der Urne und konnten eine Mehrheit von Volk und Ständen überzeugen. Dieses Jahr schafften es im März die Burka-Initiative und nun die Pflege-Initiative. Dann ist das zweite Dutzend voll!
24 Initiativen haben es geschafft
Blick zeigt, welche Initiativen es bisher in die Bundesverfassung geschafft haben und wozu die Bevölkerung im Sommer 1893 erstmals ihren Segen gab:
Pflege-Initiative: 61 Prozent Ja – an diesem Abstimmungssonntag gab es ein deutliches Resultat für die Pflege-Initiative. Auch in allen Kantonen stiess sie auf Zustimmung. Erstmals kommt dammit eine gewerkschaftliche Volksinitiative an der Urne durch. Sie fordert die Ausbildung von mehr Pflegepersonal und bessere Arbeitsbedingungen.
Verhüllungsverbot: Am Schluss wurde es überraschend knapp. 51,2 Prozent des Stimmvolks sagten im März dieses Jahres ja zur Burka-Initiative, welche ein weitgehendes Verhüllungsverbot in der Öffentlichkeit verlangt. Ausnahme gibt es etwa aus medizinischen oder klimatischen Gründen, aber auch wegen des Brauchtums. Ein Gesetz zur Umsetzung ist derzeit in der Vernehmlassung und sieht viele Ausnahmen vor.
Pädophilen-Berufsverbot: Am 18. Mai 2014 sagte eine deutliche Mehrheit von 63,5 Prozent Ja zur Pädo-Initiative. Wer wegen sexueller Handlungen mit Kindern verurteilt wird, soll sein Leben lang nie mehr mit Minderjährigen arbeiten dürfen.
Masseneinwanderungs-Initiative: Es war ein Grosserfolg für die SVP. Ihre Zuwanderungs-Initiative kam am 9. Februar 2014 mit 50,3 Prozent Ja durch. Die Initiative verlangt zur Steuerung der Zuwanderung jährliche Höchstzahlen, Kontingente und Inländervorrang auf dem Arbeitsmarkt. Umgesetzt wird sie aber nur halbbatzig, mit einer kleinen Inländerbevorzugung bei der Stellensuche.
Abzocker-Initiative: Am 3. März 2013 sagten 68,0 Prozent Ja. Die Initiative wollte stärkere Aktionärsrechte und weniger Abzockerei in den Chefetagen. Die Umsetzung lässt allerdings noch einige Hintertürchen offen. Die Initiative ebnete dem Initianten Thomas Minder (60, SH) den Weg in den Ständerat.
Zweitwohnungs-Initiative: Am 11. März 2012 jubelte das Lager der Landschaftsschützerinnen und Umweltschützer. Das Stimmvolk nahm die Zweitwohnungs-Initiative mit 50,6 Prozent ja an. Maximal dürfen 20 Prozent aller Wohneinheiten einer Gemeinde als Zweitwohnungen genutzt werden. Doch das Parlament hat Ausnahme um Ausnahme ins Gesetz gepackt.
Ausschaffungs-Initiative: Auf den Tag genau vor elf Jahren jubelte die SVP. Am 28. November 2010 sagte das Stimmvolk mit 52,3 Prozent ja. Ausländische Schwerverbrecher sollen automatisch ausgeschafft werden. Das Parlament hat den Deliktkatalog deutlich erweitert, dafür aber eine Härtefallregelung eingebaut, die dem Automatismus im Grunde widerspricht. Allerdings sagte das Stimmvolk nein zur Durchsetzungs-Initiative, mit welcher die SVP ihre Forderung noch verschärfen wollte.
Minarett-Initiative: Das Egerkinger Komitee um SVP-Nationalrat Walter Wobmann (64, SO) war nicht nur mit der Burka-Initiative erfolgreich, sondern zuvor schon mit der Minarett-Initiative, welche am 29. November 2009 mit 57,5 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde. Die Forderung: «Der Bau von Minaretten ist verboten.» Der Verfassungstext gilt seit diesem Ja direkt.
Unverjährbarkeits-Initiative: Es war die erste Initiative, die sich gegen Pädophile richtete und am 30. November 2008 mit 51,9 Prozent Ja durchkam. Sexuelle und pornografische Straftaten «an Kindern vor der Pubertät» sollen unverjährbar sein. Das Parlament setzte dafür die Altersgrenze 12 Jahre. Für leichtere Delikte gelten gewisse Ausnahmen.
Gentechfreie Landwirtschaft: Am 27. November 2005 sagten 55,7 Prozent Ja zur Gentechfrei-Initiative. Das Begehren verlangte ein fünfjähriges Gentech-Moratorium für die Landwirtschaft. Dieses wurde vom Parlament seither mehrmals verlängert und gilt immer noch.
Verwahrungs-Initiative: Mit 56,2 Prozent Ja fand 8. Februar 2004 die Verwahrungs-Initiative viel Zuspruch. Nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter sollten lebenslang hinter Gitter. Eine Aufhebung der Verwahrung wäre kaum möglich. Trotz Definitionsschwierigkeiten wurde die Initiative im Kern umgesetzt – aber mit milderen Bestimmungen für die Aufhebung der lebenslangen Verwahrung. Lebenslängliche Verwahrung wird in der Praxis aber kaum ausgesprochen.
Uno-Beitritt: Am 3. März 2002 sagte das Volk mit 54,6 Prozent ja zum Uno-Beitritt. Wenige Monate nach dem Volks-Ja wurde die Schweiz als 190. Staat in die Uno aufgenommen.
Alpen-Initiative: Am 20. Februar 1994 tanzte der damalige Urner Landamman vor Freude. Das Stimmvolk sagte mit 51,9 Prozent ja zur Alpen-Initiative. Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze gehört auf die Schiene, und es werden keine neuen Transitstrassen mehr gebaut, so das Ziel. 650'000 Lastwagenfahrten pro Jahr wurden zum Kompromiss, noch immer sind es über 800'000. Trotzdem sagte das Stimmvolk später ja zu einer zweiten Röhre am Gotthard.
1.-August-Initiative: Am 26. September 1993 nahm das Stimmvolk mit 83,8 Prozent Ja-Stimmen den 1. August als schweizweit arbeitsfreien Bundesfeiertag an. Das ist er nun seit 1994.
AKW-Moratorium: Der Atomausstieg ist mittlerweile beschlossene Sache. Den Weg dazu ebnete das Stimmvolk am 23. September 1990 mit 54,5 Prozent Ja-Stimmen zum AKW-Moratorium. Die Initiative verbot während zehn Jahren die Erteilung von «Rahmen-, Bau-, Inbetriebnahme- oder Betriebsbewilligungen» für neue AKW.
Rothenthurm-Initiative: Am 6. Dezember 1987 kam mit 57,8 Prozent Ja-Stimmen die erste Umweltschutz-Initiative durch. «Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung sind Schutzobjekte», verlangte die Initiative, und das steht heute auch im Gesetz. Die meisten Moore sind kantonalrechtlich geschützt, viele sind aber real bedroht (etwa von Austrocknung).
Preisüberwachungs-Initiative: Am 28. November 1982 fand die Preisüberwachungs-Initiative mit 56,1 Prozent beim Volk Gehör. Zur Verhinderung missbräuchlicher Preise sollte der Bund die Preise für Waren und Leistungen marktmächtiger Unternehmungen und Organisationen überwachen und allenfalls auch Preise herabsetzen. Das macht der Preisüberwacher, wobei er in den Augen vieler weitreichendere Kompetenzen haben sollte.
Rückkehr zur direkten Demokratie: Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erhielten Bundesrat und Parlament gewisse Vollmachts- und Dringlichkeitsrechte. Nach dem Krieg band erst eine Initiative dieses Regime zurück und regelte das Dringlichkeitsrecht direktdemokratisch. Das Stimmvolk sagte am 11. September 1949 mit 50,7 Prozent aber nur knapp ja zu dieser Initiative.
Kursaal-Initiative: Am 2. Dezember 1928 sagte das Stimmvolk mit 51,9 Prozent ja zur Kursaal-Initiative. Nach einer erfolgreichen Initiative für ein Spielbankenverbot 1920 mussten die in Tourismusregionen betriebenen Kursäle 1925 ihre Türen schliessen. Die Kursaal-Initiative hob dieses Verbot wieder auf.
Staatsvertrags-Referendum: Mit 71,4 Prozent Ja-Stimmen hiess das Volk am 30. Januar 1921 eine Initiative gut, welche unbefristete oder längerfristige Staatsverträge mit dem Ausland dem fakultativen Referendum unterstellt. Die Regelung gilt im Prinzip noch heute.
Spielbankenverbot: Am 21. März 1920 kam mit einem Ja-Anteil von 55,3 Prozent eine Initiative durch, welche ein totales Spielbankenverbot auch in Kursälen verlangte. Per 21. März 1925 mussten diese ihre Türen schliessen. Später wurde der Entscheid vom Volk wieder umgestossen.
Proporz-Initiative: Am 13. Oktober 1918 kam mit 66,8 Prozent Ja-Stimmen im dritten Anlauf die Proporz-Initiative durch. Schon im Jahr darauf wurde der Nationalrat neu im Proporz gewählt – bis heute.
Absinthverbot: Am 5. Juli 1908 beschloss das Stimmvolk mit 63,5 Prozent ja ein Verbot der «grünen Fee». Dieses hatte während Jahrzehnten Bestand – bis es mit der neuen Bundesverfassung von 1999 vom Volk wieder gestrichen wurde.
Schächtverbot: Die erste Volksinitiative überhaupt verlangte das «Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betäubung». Das Stimmvolk stimmte am 20. August 1893 mit 60,1 Prozent ja zu. Die Regelung gilt via Tierschutzgesetz heute noch.