Sicherung der Bundesratssitze
Bürgerlicher Geheimplan soll die Grünen ruhigstellen

Statt eines Sitzes im Bundesrat sollen die Grünen das Amt des Bundeskanzlers übernehmen, der allgemein als achtes Regierungsmitglied gilt. So wollen Bürgerliche eigene Machtansprüche sichern. Davon aber halten die Grünen gar nichts.
Publiziert: 10.10.2022 um 00:30 Uhr
|
Aktualisiert: 10.10.2022 um 07:58 Uhr
1/5
Die Grünen sind auf dem Vormarsch und fordern erneut einen Sitz im Bundesrat.
Foto: keystone-sda.ch
Sophie Reinhardt

Alles blickt derzeit auf die SVP: Wer wird der Nachfolger von Finanzminister Ueli Maurer (71)? Doch hinter den Kulissen von Bundesbern tut sich noch ganz anderes. Dort schmieden Bürgerliche bereits Pläne für die Gesamterneuerungswahlen 2023. Denn die FDP wird langsam nervös, genauso wie die SP. Den beiden Parteien sitzen die Grünen im Genick.

Getragen von der Ökowelle haben die Grünen schon bei den Wahlen 2019 kräftig zugelegt – und könnten nächstes Jahr noch stärker werden. Mit Folgen: Die jeweils zwei Bundesratssitze von FDP und SP wackeln mittlerweile bedenklich. Nur haben die beiden Parteien überhaupt nicht im Sinn, ihren Machtanspruch aufzugeben.

Bürgerliche haben deshalb einen Geheimplan ausgeheckt. Im Fokus steht Bundeskanzler Walter Thurnherr (59). Neben den sieben Bundesräten gilt er inoffiziell als achtes Regierungsmitglied. Über die Besetzung dieses Postens wird nun plötzlich hinter den Kulissen heiss diskutiert.

Der Plan: Man könne den Sitz künftig den Grünen geben. So dürften die Grünen schon mal etwas Luft im Bundesratszimmer schnuppern – gleichzeitig wäre der wackelnde Sitz von FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (61) zu halten. Auch die SP dürfte entspannter einem Angriff der Ökopartei auf den Bundesrat entgegenblicken.

Umstrittene Zauberformel

Seit Jahren sind sich die Parteien uneinig, wer im Bundesrat sitzen soll. Gemäss der sogenannten Zauberformel, die seit 1959 zur Anwendung kommt, sind die stärksten drei Parteien im Bundesrat mit je zwei Sitzen vertreten; die viertstärkste erhält einen Sitz. Das ergab so lange Sinn, wie es mit SVP, SP und FDP drei grössere Parteien und mit der Mitte eine vierte, kleinere Partei gab.

Der Aufstieg von Grünen und Grünliberalen aber hat die Ausgangslage verändert. Spätestens seit den Wahlen 2019 repräsentiert die Zauberformel den Wählerwillen mehr schlecht als recht.

«Toni Brunner soll in den Bundesrat, aber er will nicht»
3:11
SVP-Urgestein Blocher:«Toni Brunner soll in den Bundesrat, aber er will nicht»

«Wollen mitregieren»

Seit die grüne Welle auch im Bundesparlament angekommen ist, pochen die Grünen ebenfalls auf einen Sitz in der Regierung. Und sie haben keinesfalls vor, sich mit einem Trostpflaster abspeisen zu lassen: «Wenn, dann wollen wir mitregieren, und werden uns mit dem Amt des Bundeskanzlers nicht zufriedengeben», stellt Grünen-Fraktionschefin Aline Trede (39) klar.

Im Gegenteil: Trede geht zum Gegenangriff über und schlägt stattdessen vor, dass der FDP der Sitz von Thurnherr zufallen solle: «Die FDP hat mit ihren Wahlanteilen jetzt schon keinen Anspruch mehr auf zwei volle Sitze im Bundesrat.»

Einfluss ist nicht zu unterschätzen

Der Vorsitz über die Bundeskanzlei ist nicht zu unterschätzen. Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin sind stille Schaffer, welche die Entscheide des Bundesrats vorbereiten und teilweise auch die Öffentlichkeit darüber informieren. Auch diese Person hat Anspruch auf einen Dienstwagen, in dem er an wichtige Anlässe kutschiert wird.

Der aktuelle Bundeskanzler Thurnherr gehört der Mitte-Partei an, und wird darum gerne als zweiter Bundesratssitz der Mitte gesehen. Auch er wurde vom Parlament gewählt, seit 2016 ist er in dieser Funktion. Und es gibt bisher keine Anzeichen dafür, dass er aufhören will.

«Meine Macht ist beschränkt»

Der Posten des Bundeskanzlers ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Thurnherr nimmt nicht nur an den Sitzungen des Bundesrats teil. Er hat dabei auch beratende Stimme und kann selbst Anträge stellen. Zudem ist er auch auf dem offiziellen Bundesratsfoto abgebildet.

«Ich sehe mich nicht als achten Bundesrat, eher als obersten Beamten», wird Thurnherr auf der Website des Parlaments zitiert. «Meine Macht ist beschränkt. Aber ich habe etwas Einfluss. Ich kann vermitteln oder steuern, ich koordiniere und mache Vorschläge.»

Einfach nur Däumchen drehen, bis ihnen die anderen Parteien doch noch einen Bundesratssitz zugestehen, wollen die Grünen wohl ohnehin nicht. Ihre Bundeshausfraktion hat bereits angekündigt, dass sie am 18. Oktober darüber entscheidet, ob sie bereits im Dezember den SVP-Sitz von Ueli Maurer (71) angreifen will, wenn auch noch mit wenigen Chancen auf Erfolg.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?