Martin Sonneborn (59), Ex-Chefredaktor der deutschen Satire-Zeitschrift «Titanic», sitzt seit zehn Jahren für die Spass-Liste «Die Partei» im EU-Parlament. Am Sonntagabend könnte er gemeinsam mit der Zürcherin Sibylle Berg (62) gewählt werden. Die vielfach preisgekrönte Bestsellerautorin Berg, die aus Ostdeutschland stammt, zog vor 27 Jahren in die Schweiz und besitzt seit 2012 den roten Pass. Nun kandidiert auch sie für Brüssel und Strassburg.
Laut Europawahlgesetz ist dies möglich, obwohl Berg ihren Wohnsitz in der Schweiz hat. Für eine Kandidatur muss sie lediglich Deutsche sein und das 18. Lebensjahr vollendet haben: «Ein Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Europäischen Union ist keine Voraussetzung für die Wählbarkeit», teilt das Innenministerium in Berlin mit.
Obwohl Berg seit Jahren in der EU keine Steuern mehr zahlt, könnte sie deren Bürgerinnen und Bürger vertreten. Theoretisch könnte sie in der Schweiz sogar ihr Abgeordnetenbüro einrichten. «Rechtliche Regelungen zum Ort eines etwaigen Wahlkreisbüros bestehen nicht», heisst es aus Berlin.
Berg gegen EU-Beitritt
Doch was bewegt Berg dazu, für eine Spasspartei zu kandidieren? «Ich gehe als Künstlerin und Aktivistin in die Wahl, nicht als Anwältin oder Berufspolitikerin», teilt die Autorin («GRM. Brainfuck») mit. Im Gespräch mit Blick sieht sie sich auch nicht als eidgenössischer EU-Turbo: «Ich bin nicht für einen Beitritt der Schweiz in die EU. Ich denke, die EU-Länder können viel von der Schweizer Demokratie lernen.» Sarkastisch fügt die Kandidatin hinzu: «Selbstlos würde ich dafür kämpfen, dass Europa zur Schweiz wird.»
Trotz ihrer EU-Skepsis ist Europa für Berg ein Herzensanliegen – gerade auch in ihrer Rolle als Schweizerin: «Die Schweiz ist umgeben von Ländern der EU. Jeder Entscheid, der in Brüssel getroffen oder in Strassburg verabschiedet wird, hat einen direkten Einfluss auf unser Land. Mir ist es ein Anliegen, Gesetze, Verordnungen und Entscheidungen transparent zu machen und zu informieren.»
Klassenkampf und Datenschutz
Berg sieht sich aber auch als linke Politikerin. Sie will «gegen vermeidbare Armut» kämpfen und sich für Minderheiten engagieren. «Kurz Klassenkampf genannt», fasst sie ihr politisches Leitmotiv zusammen.
Zudem engagiert sie sich für Datenschutz. «Alle Entscheidungen zur lückenlosen Überwachung und der De-facto-Kriminalisierung der Bevölkerung machen auch an der Grenze zur Schweiz nicht halt. Das neuste Beispiel: die Fluggastdatenübermittlung an Polizeidienste», kritisiert sie.
Die Frage danach, wo sie ihre Steuern bezahlt, beantwortet Berg ironisch: «Auf Guernsey», scherzt die Schriftstellerin, dann betont sie: «Wie jeder Schweizer zahle ich meine Steuern in der Schweiz. Ausser die sehr Reichen, die zahlen sie in Luxemburg, den Niederlanden, auf den Cayman-Inseln oder gar nicht.»
Am Sonntagabend steht fest, ob Sibylle Berg gewählt ist oder nicht.