Der Frauenstreik 2019 war eine Riesenkiste: Eine halbe Million Frauen ging auf die Strasse und forderte gesellschaftliche und finanzielle Verbesserungen. Nun rufen Gewerkschaften und Feministinnen per 14. Juni erneut zum grossen Frauenstreik auf. «Dieser neuerliche Frauenstreik ist bitter nötig», sagt Unia-Präsidentin Vania Alleva (54). «Denn obwohl sich die Stellung der Frau in der Gesellschaft verbessert hat, liegt es noch in vielen Bereichen im Argen.»
Protestiert wird am 14. Juni etwa gegen Lohndiskriminierung, die immer noch für einen Graben zwischen den Geschlechtern sorgt. Das zeigt auch eine neue Analyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) zu den Frauenlöhnen, mit welcher er dem Frauenstreik argumentativ den Boden bereitet. Drei wichtige Erkenntnisse aus dem am Dienstag präsentierten Papier:
«Frauenberufe» sind schlechter bezahlt
Die Hälfte der Frauen verdient – bei zwölf Monatslöhnen – weniger als 4500 Franken im Monat. Ein Viertel verdient sogar 2700 Franken oder weniger. Ein Grund dafür ist, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten als Männer. Doch das ist nicht der einzige Grund, denn auch die Stundenlöhne der Frauen sind wesentlich tiefer. Gemäss SGB müssen über 500'000 Frauen in der Schweiz mit weniger als 4500 Franken Lohn auskommen, selbst wenn sie Vollzeit arbeiten.
«Berufe, in denen grossmehrheitlich Frauen arbeiten – sogenannte ‹Frauenberufe› –, sind schlechter bezahlt», hält das Analysepapier fest. Beispiele sind etwa Betreuungsberufe mit Kindern oder Senioren. So zahlt sich auch eine Lehre in «Frauenberufen» weniger aus. Der Gewerkschaftsbund spricht denn auch von einer «strukturellen Diskriminierung».
So haben bei den zehn Prozent der Bestverdienenden die Männer die Nase deutlich vorn. Auf 13 Monatslöhne gerechnet verdient jeder zehnte Mann mehr als über 12'000 Franken, jede zehnte Frau aber nur über 8000 Franken.
Frauen haben seltener einen 13. Monatslohn
Der 13. Monatslohn ist für die meisten Arbeitnehmenden nicht mehr wegzudenken. Gut vier von fünf Angestellten erhalten ein zusätzliches Monatsgehalt. Doch gerade in Tieflohnbranchen fehlt dieser Zustupf oft. Frauen haben daher viel öfter als Männer keinen 13. Monatslohn.
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«Coiffeusen und Kosmetikerinnen können nur davon träumen, Ende Jahr noch ein zusätzliches Monatsgehalt zu erhalten», heisst es im Analysepapier. Und: «Auch in Teilen des Detailhandels wie in Kleider- und Schuhgeschäften ist der 13. alles andere als der Normalfall.»
Erfahrung und Dienstalter zählen weniger
Nicht nur beim 13. Monatslohn gucken hauptsächlich Frauen in die Röhre. Auch die Lohnprogression fällt mickriger aus. «Die Lohnzuschläge für Erfahrung und Dienstalter sind bei den Frauen geringer als bei den Männern», so die Analyse.
Insbesondere in «Frauenbranchen» falle die Lohnentwicklung schlechter aus. Besonders schlimm ist es gemäss SGB-Analyse im Gastgewerbe: «Hier scheint den Arbeitgebern die Erfahrung der Frauen nichts wert zu sein», so die Feststellung. «Arbeitnehmerinnen Anfang 50 verdienen im Mittel so viel wie ihre Kolleginnen Anfang 20.»
Das Fazit
«Viele Frauen haben Löhne, die kaum zum Leben reichen, selbst wenn sie eine Lehre abgeschlossen haben», kommt das SGB-Papier zum Schluss. Denn: «Die Entwicklungsmöglichkeiten beim Lohn sind zu gering.» Mit negativen Auswirkungen auf einen Wiedereinstieg oder den Verbleib im Job – etwa bei Mutterschaft oder anderen Betreuungspflichten.
«Neben den strukturell tieferen Löhnen in Branchen mit Frauenmehrheit, ist frappant, dass die Berufs- und die Lebenserfahrung von Frauen systematisch weniger wert ist», kritisiert VPOD-Generalsekretärin Natascha Wey (41). Erwerbsarbeit sei heute – auch für Frauen mit Kindern – normal. «Das grosse Problem der Frauen lautet heute: Doppel- und Dreifachbelastung und trotz Erwerbsarbeit viel weniger Geld auf dem Konto.»
Der Gewerkschaftsbund verlangt nun für Berufstätige mit Lehre einen Mindestlohn von 5000 Franken und auch für Ungelernte einen Mindestlohn von 4500 Franken. Ebenso einen 13. Monatslohn für alle. Zudem müssten Lohngleichheit und die Erhöhung von Frauenlöhnen Gegenstand aller sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen werden.