Nicht immer ist eine grosse Anziehungskraft von Vorteil. Im Fall der Stadt Zürich, in der besonders viele junge und somit sexuell aktive Menschen leben, brachte dies den unrühmlichen Spitzenplatz in Sachen Geschlechtskrankheiten. In keiner anderen Region des Landes gibt es so viele Fälle von Geschlechtskrankheiten wie hier.
Bei Syphilis, Chlamydien und Tripper steht Zürich inzwischen mit grossem Abstand auf Platz 1. Bei Chlamydien beispielsweise, die zu 70 Prozent junge Frauen betreffen, wurden 2019 fast 200 Fälle auf 100'000 Einwohner gezählt. Im Landesschnitt waren es knapp 145.
Keine Krankenkassenrechnung mehr
Auch HIV-Infektionen gibt es in Zürich nach wie vor am häufigsten. Sie nehmen zwar ab, aber nicht so stark, dass die Verantwortlichen der Stadt beruhigt wären. Mit Gratistests auf die sogenannten Big Five – HIV, Syphilis, Chlamydien, Tripper und Hepatitis – will die Stadt die Ausbreitung nun stoppen, wie der Stadtrat am Mittwoch an einer Medienkonferenz bekanntgab.
Bisher wurden solche Tests in der Regel über die Krankenkassen abgerechnet. Bei jungen Menschen mit tiefem Einkommen und gleichzeitig hoher Franchise waren 260 Franken aber ein Problem, sodass häufig auf den Test verzichtet wurde.
«Bei Minderjährigen kommt noch dazu, dass der Brief mit der Krankenkassenabrechnung von den Eltern geöffnet wird», sagte Francisca Boenders, Geschäftsführerin von Sexuelle Gesundheit Zürich. «Viele Junge schämen sich und haben Schuldgefühle.»
2,6 Millionen Franken budgetiert
Bei den anonymen Gratistests soll deshalb eine «vorurteilsfreie Atmosphäre» geschaffen werden. Bei einem positiven Befund in einem der zwei Testzentren soll auch gleich die Behandlung in die Wege geleitet werden. Start des 2,6 Millionen Franken teuren Projekts ist im Herbst 2022. Nach drei Jahren wird der Versuch ausgewertet.
Werben will die Stadt möglichst zielgruppengerecht – auf Tiktok, Youtube, über Influencer, aber auch vor Ort in Clubs, Bars und in Saunen für Homosexuelle.
Auslöser für das neue Angebot ist ein SP-Vorstoss im Stadtparlament. Der Gemeinderat muss das Projekt deshalb noch in einer seiner Sitzungen offiziell absegnen, was aber nur Formsache sein dürfte. (SDA)