Es tönt skurril. Seit Jahren klagt das Schweizer Militär darüber, dass ihm immer mehr die Soldaten ausgehen. Dabei hat die Armee gar nicht zu wenige Soldaten – im Gegenteil. Sie ist sogar zu gross. So besagt die Verordnung über die Organisation der Armee, dass das Militär einen Sollbestand von 100'000 und einen Effektivbestand von 140'000 Dienstpflichtigen hat – höchstens.
Die Vorgabe aber wird nicht eingehalten. Der Bestand ist 2022 auf über 151'000 Personen angestiegen. Heute sind es gut 147'000 Armeeangehörige. Immer noch über 7000 mehr als rechtlich zulässig. Zwar darf der Bund laut Militärgesetz den maximal zulässigen Armeebestand überschreiten; das war aber bis Ende 2022 befristet. Jetzt verstösst es gegen das Gesetz.
Amherd stösst auf Widerstand
Das ist auch Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) klar. Um das Problem zu lösen, soll sie in der Bundesratssitzung vom Mittwoch vorgeschlagen haben, den Effektivbestand in den nächsten Jahren um insgesamt 18’400 Armeeangehörige zu senken. Das berichtet der «Tages-Anzeiger».
Damit würde der Effektivbestand auf knapp unter 130'000 sinken. Er würde in den kommenden Jahren auch dann nicht über die zulässigen 140'000 Personen steigen, sollten die Rekrutenschulen einen kleinen Zuwachs verzeichnen.
Doch: Bundesrätin Amherd soll mit ihrem Anliegen im Bundesrat auf Gegenwehr stossen. Aus anderen Departementen seien mindestens zwei Mitberichte eingebracht worden, in denen ihre Pläne hinterfragt werden.
Lieber Gesetz als Bestände anpassen
So soll sich der eine Mitbericht auf die aktuelle sicherheitspolitische Lage beziehen. Der Ukraine-Krieg und eine erhöhte Terrorbedrohung aufgrund des Nahost-Konflikts würden es nicht erlauben, die Armeebestände zu senken, heisse es darin. Die Armee sei die sicherheitsstrategische Reserve der Schweiz. Sie komme zum Einsatz, wenn zivile Behörden unterstützt und das Land verteidigt werden müssten.
Ein Abbau der Bestände könne aus diesem Grund heute nicht angeordnet werden. Stattdessen müsse die rechtliche Grundlage angepasst werden, damit der Bestand beibehalten werden könne.
Amherd muss nochmals über die Bücher
Im zweiten Mitbericht werde bemängelt, dass Amherd keine öffentliche Vernehmlassung durchgeführt habe. Von einem Abbau des Armeebestands seien nämlich vor allem die Kantone betroffen, denn diese hätten künftig schliesslich weniger Armeeangehörige für Schutzaufgaben zur Verfügung. Das werde jeweils dann relevant, wenn die Kräfte der Polizei für die Gewährleistung der inneren Sicherheit nicht mehr ausreichten.
Wie der «Tages-Anzeiger» weiter berichtet, sei das Thema im Bundesrat angeregt diskutiert worden. Bis jetzt aber habe sich Amherd mit ihren Argumenten nicht durchsetzen können. Ihr Verteidigungsdepartement müsse nun bis nächste Woche zusätzliche rechtliche Abklärungen treffen. Dann kann die Mitte-Politikerin einen neuen Versuch starten, um das Gesetz doch wieder einzuhalten. (dba)