Am Schluss war es der Bundesrat, der das EU-Rahmenabkommen versenkte. Im Mai 2021 gestand er ein, dass das Abkommen chancenlos ist. Nun drohen die Verhandlungen mit der EU erneut zu scheitern.
Wieder sind es die Gewerkschaften, die sich als Erstes vom Verhandlungstisch zu verabschieden drohen. Für sie ist nach dem Ende der Sondierungsgespräche klar, dass der Lohnschutz bei einer neuen Lösung mit Brüssel ungenügend ist. Anders sieht es die Arbeitgeberseite, doch in einem Punkt, bei dem auch den Unternehmen Ungemach droht, fordert sie ebenfalls, der Bundesrat solle hart verhandeln.
Die Landesregierung will das Sondierungsergebnis am Mittwoch formal abnicken und die Ausarbeitung eines Verhandlungsmandats in Auftrag geben.
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Hiesige Unternehmen im Nachteil
Die Arbeitgeber stören sich am Herkunftsprinzip bei der Spesenregelung. Hier geht es um Folgendes: Führt ein rumänisches Unternehmen in Zürich einen Auftrag aus, sollen seine rumänischen Arbeitskräfte bei den Auslagen für Zmittag und Unterkunft nicht Schweizer Spesensätze verrechnen können, sondern nur jene, die in Rumänien üblich sind. Für Schweizer Unternehmen ist das ein Nachteil, weil sie im Gegensatz zu Firmen aus dem EU-Raum die tatsächlichen Kosten für Kost und Logis erstatten müssen.
Die Kritik der Gewerkschaften geht viel weiter. Sie sehen im Vorliegenden ein Liberalisierungsprogramm. Neben dem Lohnschutz fürchten sie um den Service public. Nicht zufällig warnt die Eisenbahngewerkschaft davor, den Schweizer ÖV an die Wand zu fahren, wie das durch die Liberalisierungen im europäischen Ausland passiert sei – ein Wink an Verkehrsminister Albert Rösti (56), dessen SVP sowieso gegen ein EU-Abkommen ist.
Nach einem Gespräch mit Bundesrat Guy Parmelin (63) am Donnerstag beschlossen die Gewerkschaftsspitzen am Freitag, die Unzufriedenheit am Montag öffentlich zu machen.
Bundesrat soll nachbessern
SVP und die Linke haben die Kraft, das EU-Abkommen zu bodigen. Vor diesem Hintergrund müsse die Regierung überlegen, «wie sie der Bevölkerung ein EU-Abkommen verkaufen will», so die Gewerkschaften. Schliesslich müssten sie die immer lauter werdenden Bedenken gegenüber der Zuwanderung von ihren Mitgliedern ernst nehmen.
Danach sieht es für die Gewerkschaften nicht aus. In ihren Augen will Aussenminister Ignazio Cassis (62) das Ergebnis der Sondierungsgespräche zum Verhandlungsergebnis machen. Damit hätte die Verwaltung und nicht der Bundesrat die Zukunft der bilateralen Beziehungen bestimmt.
Damit dürfte Cassis im Bundesrat auf Kritik stossen. Mindestens ein Bundesratsmitglied soll sich per Mitbericht dagegen stellen, das Ergebnis der Sondierungen einfach durchzuwinken.