In Europa scheint man keine Gelegenheit auszulassen, den Schweizer «Rosinenpickern» eins auszuwischen. Zu spüren kriegt das vor allem die Wissenschaft.
So kursiert derzeit ein explosives Papier der europäischen Forschungsallianz Horizon Europe. Konkret geht es um das neue Arbeitsprogramm für die Jahre 2021 und 2022 für den Bereich Digitalisierung, Industrie und Weltraumforschung.
Zwar wird die Schweiz in dem 393 Seiten dicken Entwurf nicht namentlich genannt. Im Kapitel über die neuen Technologien allerdings wird nun plötzlich der Ausschluss von Drittstaaten festgehalten. Dazu gehören Nicht-EU-Mitglieder wie Israel, Norwegen oder die Eidgenossenschaft. Bereits der «Tages-Anzeiger» hatte das Dokument thematisiert.
Betroffen sind vor allem die Forschung über Quantencomputer und Weltraumprojekte. In der Branche herrscht Alarmstimmung. Ein Wegfall der grossen Forschungspartnerschaften auf dem Kontinent wäre für manche Firmen eine Katastrophe.
Grosse Nachteile für Schweizer Unternehmen
Jetzt hat Swiss ICT reagiert. Der Verband vertritt über 200'000 Angestellte im IT-Bereich und ist damit der grösste Interessenvertreter dieses Segments. Am Montag haben Präsident Thomas Flatt und Vorstandsmitglied Kathy Riklin einen Brief an Bundespräsident und SVP-Forschungsminister Guy Parmelin unterzeichnet.
Die Entwicklung sei «besorgniserregend», heisst es im Schreiben, das SonntagsBlick vorliegt. «Schweizer Unternehmen im Bereich Quantencomputing könnten hier ernsthafte Nachteile erleiden. Da gerade auch die Zusammenarbeit von Schweizer Hochschulen mit ausländischen Partnern in der EU im Visier ist, sind hier auch strategische Partnerschaften für Schweizer Unternehmen in Gefahr.»
Die Regierung wird aufgefordert, «sich klar für eine volle Einbindung der Schweiz in alle Horizon-Europe-Programme starkzumachen und entsprechende Verhandlungspositionen zu erarbeiten».
EU schaltet auf stur, Deutschland will helfen
Wie die Situation ist, hat SonntagsBlick vorletzte Woche aufgezeigt: Wegen der Blockade beim Rahmenabkommen schaltet die Union auf stur. Die Staatssekretärin für Bildung, Forschung und Innovation, Martina Hirayama, bekommt in Brüssel nicht einmal einen Gesprächstermin.
Hilfe kommt von unerwarteter Seite: aus Berlin, der liebsten Zielscheibe rechtsbürgerlicher Schweizer EU-Gegner. «Deutschland setzt sich für die vollständige Horizon-Teilnahme der Schweiz, Israels und Grossbritanniens ein», sagt Thomas Rachel, Staatssekretär des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung, dem Magazin «Science Business» zum geplanten Rauswurf aus Horizon.