«Erasmus+» läuft aus
Parmelin trödelt bei Schülern und Studenten

Das EU-Programm «Erasmus+» für den Studentenaustausch läuft Ende Jahr aus. Noch immer aber hat der Bundesrat dem Parlament keine Vorlage zur Erneuerung vorgelegt – trotz wiederholter Aufforderung.
Publiziert: 12.07.2020 um 23:04 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2021 um 01:42 Uhr
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Im vergangenen Jahr ermöglichte das Programm «Erasmus+» über 26'000 Schülern und Studierenden einen Auslandsaufenthalt.
Foto: Keystone
Daniel Ballmer

Die Geduld der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats ist erschöpft. Das geht klar aus ihrem Brief an den Bundesrat hervor, der BLICK vorliegt. Denn die Zeit läuft. Und zwar gegen die Schweiz. Bereits Ende Jahr läuft das EU-Austauschprogramm «Erasmus+» für Schüler und Studenten aus. Doch die vom Parlament mehrfach geforderte Teilnahme an der nächsten Runde lässt auf sich warten.

Im Visier haben die Parlamentarier vorab Bildungsminister Guy Parmelin (60). «Er zögert die Vorlage hinaus», findet SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (60), «und verweigert damit eigentlich den Auftrag des Parlaments.»

Mehr als 26'000 Auslandssemester allein 2019

«Erasmus+», das Bildungsaufenthalte im Ausland über Stipendien finanziell unterstützt, ist beliebt bei den Jungen: Allein 2019 ermöglichte das Programm über 26'000 Schweizer Schülern und Studierenden einen Auslandsaufenthalt. Seit Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative 2014 beteiligt sich die Schweiz zwar nur noch im Rahmen einer Übergangslösung. Doch selbst damit ist bald Schluss. Und höchst fraglich ist, ob Schweizer Schüler und Studenten ab nächstem Jahr noch ins Ausland gehen können.

SVP-Bundesrat Parmelin hat schon mehrfach versichert, «Erasmus+» genauso weiterführen zu wollen wie das Forschungsprogramm «Horizon Europe». Doch auch hier steht eine Teilnahme auf wackligen Füssen, solange das Rahmenabkommen mit der EU nicht steht. «Mittlerweile sind wir für eine Anschlusslösung schon sehr spät dran», heisst es aus der nationalrätlichen Bildungskommission.

«Wir sind eigentlich schon zu spät»

«Für 2021 sind wir eigentlich schon zu spät», sagt APK-Präsidentin Tiana Angelina Moser (41). «Bundesrat Parmelin hat offensichtlich wenig Herzblut für das Programm, sonst würde er vorwärtsmachen», so die GLP-Fraktionschefin. Immerhin sei schon seit Jahren klar, dass die Frist demnächst auslaufe.

Und der Auftrag des Parlaments ist glasklar: Bereits 2017 forderte es wieder eine vollständige Teilnahme an «Erasmus+». In der Sommersession verlangte der Ständerat nochmals die Aufnahme in die Botschaft des Bundesrats zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI). Und erst vor wenigen Tagen doppelte die APK nach: Neben dem EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» und dem EU-Kulturprogramm «Creative Europe» seien endlich auch Verhandlungen für «Erasmus+» zu starten.

«Scheint für Parmelin keine Priorität zu haben»

«Der Druck aus dem Parlament ist mittlerweile gross», sagt CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (56). «Bisher schien der Auftrag des Parlaments für Bundesrat Parmelin allerdings keine Priorität zu haben», ergänzt LDP-Bildungspolitiker Christoph Eymann (69). «Parmelin zeigt sich sehr zurückhaltend – wohl vorab wegen der Kosten.»

Und das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung? Bis wann rechnet es mit der vom Parlament schon lange geforderten Vorlage zu «Erasmus+»? Wo sieht es die Gründe für die Verzögerung? Und: Reicht die Zeit überhaupt noch vor Ablauf der Frist Ende Jahr? Auf konkrete Fragen geht das Departement von Parmelin gar nicht erst ein, verweist einzig auf allgemein gehaltene Infoblätter zu dem EU-Bildungsprogramm.

Jugendorganisationen haben eine Petition gestartet

«Auch wir haben bisher nur unverbindliche Aussagen erhalten», kritisiert APK-Präsidentin Moser. Im Parlament schwindet die Geduld. Nicht nur dort: Unterdessen hat der Schweizer Dachverband für Jugendorganisationen SAJV sogar eine Petition gestartet. Es sei «höchste Zeit», dass der Bund seinen Auftrag wahrnehme und die Verhandlungen zu «Erasmus+» aufnehme.

«Die übergeordnete Bedeutung des EU-Programms für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz wird vom Bundesrat offensichtlich verkannt», findet Nationalrätin Moser. Das sieht SP-Ratskollege Nussbaumer ähnlich. «Es ist irritierend, dass der Bundesrat einfach nicht vorwärtsmacht», sagt er. «Für den Standort Schweiz wäre es ein Debakel, wenn der Bundesrat ‹Erasmus+› fallen liesse.»

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