Darum gehts
- Oberst fordert Streumunition für Schweizer Armee, Bundesrat lehnt ab
- SP-Nationalrätin kritisiert Offizier für Verletzung des humanitären Völkerrechts
- Die Schweiz vernichtete 2012 grosse Artilleriebestände nach Ratifizierung der Oslo-Konvention
SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (56) benutzt deutliche Worte: «Es ist empörend, dass ein hoher Militärkader öffentlich zur Verletzung des humanitären Völkerrechts aufruft», findet die Präsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission. «Das kann nicht geduldet werden!»
Was ist passiert? In der Zeitschrift «Schweizer Soldat» forderte Offizier Thomas Vogel eine starke Aufrüstung der Schweizer Armee. Der Oberst im Generalstab verweist auf den Ukraine-Krieg und auf dort im Einsatz stehende Rüstungsgüter, die dem hiesigen Militär fehlten, so etwa Drohnen, Panzerabwehrminen und Raketenartillerie. Aber auch Streumunition.
«Streumunition? Um Gottes Willen, auf keinen Fall!»
Für Oberst Vogel ist klar: Die Schweizer Armee sollte jetzt kaufen, was sie kriegen kann. «Doch was tun wir stattdessen? Wir verfallen in die gefürchteten helvetischen Diskussionen.» Über diese Diskussionen mache sich Vogel nur lustig, berichtete die «Wochenzeitung»: «Streumunition? Um Gottes Willen, auf keinen Fall! Diese Munition ist international geächtet, und wir wollen doch nicht die humanitäre Tradition der Schweiz für einen militärischen Vorteil aufgeben?»
Der Artikel hat im Parlament aufhorchen lassen. SP-Sicherheitspolitikerin Seiler Graf wollte vom Bundesrat wissen, was er davon halte, dass sich Armeekader öffentlich für den Kauf von Streumunition einsetzen. Schliesslich ist diese nicht nur geächtet, sie ist in der Schweiz sogar verboten. Das Kriegsmaterialgesetz verbietet den Erwerb, das Einlagern oder die Weitergabe. Die «WOZ» weist darauf hin, dass sogar unter Strafe stehe, was Oberst Vogel gerne tun würde: jemanden dazu verleiten, Streumunition zu kaufen.
«Hätte eine Zurechtweisung erwartet»
Der Bundesrat aber distanziert sich von Oberst Vogel. «Der genannte Milizoffizier hat sich in dem von der Armee unabhängigen Medium privat geäussert», schreibt die Regierung in ihrer Antwort. Das spiegle nicht die Position des Bundesrats wider. Er lehne Streumunition ab. Und das sei auch in der Schweizer Armee klar so geregelt.
Nachdem die Schweiz 2012 die Konvention zur Streumunition ratifiziert hatte, liess sie grosse Bestände vernichten. Das wird auch von SVP-Nationalrat David Zuberbühler (46) infrage gestellt, der wegen des Ukraine-Kriegs eine Wiederanschaffung angeregt hatte. Der Bundesrat aber will nichts davon wissen. Der Einsatz von Streumunition habe «wegen der unterschiedslosen Wirkung, der hohen Anzahl an Blindgängern, aber auch wegen der direkten oder indirekten Wirkung schwerwiegende humanitäre Folgen».
Trotz Absage des Bundesrats bleibt SP-Nationalrätin Seiler Graf unzufrieden. «Dieser Offizier stellt sich öffentlich gegen die offizielle Haltung der Schweiz. Das geht einfach nicht», findet sie. Zwischen den Zeilen lasse der Bundesrat sogar durchblicken, dass ihm das egal sei. «Das ist sehr schwach! Ich hätte vom Bundesrat eine Zurechtweisung erwartet.» Zumindest wird aber am Streumunitionsverbot nicht gerüttelt.