Müssen Privathaushalte beim Strompreis bald für die Unternehmen bluten? Nein, widerspricht das Wirtschaftsdepartement (WBF) von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (62) einem Artikel im «Tages-Anzeiger».
Zwar will der Wirtschaftsminister Unternehmen helfen, die unter den hohen Strompreisen im freien Markt leiden. Das Departement beharrt aber darauf, dass das nicht auf dem Buckel der Haushalte geschehen soll.
«Einmal frei, immer frei»
Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus fünf Departementen und zwölf Bundesämtern prüft Möglichkeiten, um Firmen die Rückkehr in die Grundversorgung zu ermöglichen. Unternehmen, die einen Jahresverbrauch von mehr als 100'000 Kilowattstunden haben und somit ihren Stromlieferanten frei wählen können, haben jahrelang von Tiefstpreisen profitiert. Doch jetzt, wo sie Rekordpreise zahlen müssen, wollen sie wieder zurück in die Grundversorgung. Das verbietet das Gesetz heute aber. Es gilt das Prinzip: «Einmal frei, immer frei».
Parmelin ist bereit, das zu ändern – schliesslich hängen Firmenexistenzen und Arbeitsplätze daran. Die Rückkehr der Firmen vom freien Strommarkt in die Grundversorgung hat aber einen Haken: Erlaubt man Grossverbrauchern einfach wieder zurück zum örtlichen Elektrizitätswerk (EW) zu wechseln, müsste das EW seinerseits den zusätzlichen Strombedarf auf dem freien Markt stillen.
Mindestens drei Varianten
Diese Mehrkosten müssten die Elektrizitätswerke im Prinzip auf ihre anderen Kunden abwälzen – auf Haushalte und Kleinunternehmen, die heute in der Grundversorgung gefangen sind und nie von Billigpreisen profitierten.
Genau das will Parmelin verhindern: Man sei sich bewusst, dass eine Rückkehr von Unternehmen in die Grundversorgung eine Kostenverlagerung auf bestehende Kunden haben könnte, wenn das nicht mit entsprechenden Regelungen verunmöglicht würde, so das Departement. «Die Arbeitsgruppe entwickelte deshalb Varianten, die eine solche Kostenverlagerung ausschliessen.» Laut Blick-Informationen sind mindestens drei Varianten ausgearbeitet worden.
Wartezeit einführen
Der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) unter der Leitung von Direktor Michael Frank gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Stromtarife in der Grundversorgung jeweils bis am 31. August fixiert werden müssen und ein Jahr lang gelten. Müsste jetzt eine Zusatzbeschaffung für die neu dazukommenden Grosskunden getätigt werden, könnten die Mehrkosten erst in den Folgejahren eingerechnet werden. Für kleine Elektrizitätswerke könnte es kritisch werden, wenn sie die Mehrkosten erst einmal selbst tragen müssten.
Deshalb verlangt der VSE, dass die Marktkunden nur mit einem Vorlauf von mindestens einem Jahr – besser zwei Jahren – in die Grundversorgung zurückkehren dürfen. Energiepolitiker wiederum sagen, die Politik müsse den EW mit Garantien oder Zahlungen unter die Arme greifen, um die Mehrkosten abzufedern.
Prämien verbilligen
Mehr zum knappen Strom
Tatsächlich diskutiert die Arbeitsgruppe nicht nur Regeln für die Rückkehr in die Grundversorgung. Sie prüft auch Vorschläge zur Entlastung der Haushalte sowie laut WBF weitere Möglichkeiten, um der Wirtschaft zu helfen.
Umwelt- und Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) hat in Interviews vorgeschlagen, den Privathaushalten mit stärkeren Prämienverbilligungen bei den Krankenkassen beizustehen. Offenbar ist dies ein Instrument, das ernsthaft zur Diskussion steht.
Beobachter rechnen damit, dass der zuständige Bundesrat Parmelin nächste Woche die mindestens drei Varianten zur Rückkehr in die Grundversorgung in die Regierung einbringt. Sie sollen für die Privathaushalte – und allenfalls auch für die Elektrizitätswerke – keine oder geringe Kostenfolgen haben.