Politiker, Verwaltungsangestellte und Regierungsmitglieder versuchen mit ihren Ideen, die Welt zu verbessern. Einige dieser Ideen wirken allerdings so absurd, dass die IG Freiheit seit 2007 jedes Jahr die haarsträubendsten Einfälle mit dem rostigen Paragraphen auszeichnet. Am Dienstagabend war es wieder so weit.
Die IG Freiheit ist ein Zusammenschluss von Personen, die sich für Freiheitsrechte und gegen unnötige Regulierungen einsetzen. Präsidiert wird sie von SVP-Nationalrat Gregor Rutz (51). Auch im vergangenen Jahr gab es Gesetze, Vorstösse, oder bürokratische Entscheide, die zum Lachen oder Kopfschütteln anregten. Per Online-Voting wurde entschieden, wer die unliebsame Auszeichnung erhält.
Nun ist klar: Gewonnen hat diese fragwürdige Trophäe die Zürcher SP-Stadträtin Simone Brander. Und zwar für eine wortwörtliche Müll-Bürokratie: Wer seinen Bioabfall in der Stadt Zürich selbst im Garten kompostieren will, braucht dank Brandner nämlich eine amtliche Bewilligung. Städtische Inspektoren schauen sich den Kompost an und beurteilen, ob dieser bewilligungsfähig ist.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Brandner befindet sich in bester Gesellschaft. Eine Auswahl.
2023 – Balthasar Glättli: Reduktion der Arbeitszeit zur Klimarettung
2023 ging der Negativpreis an den ehemaligen Grünen-Präsidenten Balthasar Glättli (52). Er wurde für seinen Vorschlag ausgezeichnet, das Klima durch eine generelle Reduktion der Arbeitszeit zu schützen. Denn wer frei habe, verstopfe im Berufsverkehr keine Strasse, und wer im Bett liegen bleibe, verbrauche weniger Ressourcen, so die Argumentation des Zürcher Grünen-Nationalrats.
2022 – Markus Hüsser: Polizeistunde für Kuhglocken
In Berikon AG gilt die Nachtruhe ab 22 Uhr seit 2021 auch für Kuhglocken. Erwirkt wurde das Verbot von Anwohner Markus Hüsser, der sich vom Gebimmel der Glocken auf einer Kuhweide in der Nachbarschaft gestört fühlte. Nachdem die Gemeinde eine Petition abschlägig beantwortete, wandte sich der Anwohner an den Kanton – und erhielt Recht. Die betroffenen Berikoner Kühe weiden seither ohne Glocken. Für Hüsser gab es dafür den rostigen Paragraphen.
2019 – Laurent Favre: Beerpong-Verbot
2019 ging die Auszeichnung in den Kanton Neuenburg, respektive an den zuständigen Staatsrat Laurent Favre (51, FDP). Der Westschweizer Kanton hat im Gewerbepolizeigesetz ein Beerpong-Verbot für Gaststätten aufgenommen. Das Gewerbepolizeigesetz des Kantons Neuenburg will den Konsum von alkoholischen Getränken senken, insbesondere was Spiele oder Wettbewerbe anbelangt. So wurden für öffentliche Lokale nicht nur Happy-Hours, sondern eben auch Beerpong-Spiele verboten.
2017 – Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch: Gesetz für Grill- und Ofenhandschuhe
2017 durfte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und dessen damalige Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (62) den Preis entgegennehmen. Denn: Sie musste die damals neue Richtlinie für Grill- und Ofenhandschuhe einführen. Weil sich jedes Jahr über 80’000 Menschen in Europa beim Backen und Grillieren die Finger verbrennen, wurde eine EU-Verordnung für Grill- und Ofenhandschuhe eingeführt. Seit 2018 muss darum jeder verkaufte Handschuh ein sogenanntes CE-Kennzeichen tragen. Auch eine Gebrauchsanweisung dafür ist vorgeschrieben. Weil die Schweiz die Regelung übernahm und das Bundesgesetz entsprechend angepasst hat, durfte sich das Seco über den Preis freuen.
2013 – Stefan Flückiger: Waldvignette für Reiter, Velofahrerinnen und Nordic-Walker
Aus Sorge um den Wald forderte Stefan Flückiger, ehemaliger Geschäftsführer des bernischen Waldbesitzerverbands, die Einführung einer Waldvignette. Biker und Reiter sollen künftig für die Waldnutzung eine Vignette oder einen Pass für 15 Franken kaufen müssen. Nach der Auffassung Flückigers würden die oben genannten Gruppen den Wald am meisten belasten und sollten die Schäden dementsprechend auch berappen. Später hat sich der bernische Waldbesitzerverband für eine Vignette auf freiwilliger Basis entschieden. Den rostigen Paragraphen gab es trotzdem.
2010 – Moritz Leuenberger: Kindersitzpflicht bis zum zwölften Altersjahr
Der bis jetzt prominenteste Preisträger des rostigen Paragraphen ist der ehemalige Verkehrsminister Moritz Leuenberger (77). Sein Departement installierte 2010 eine Kindersitzpflicht für Kinder bis 12 Jahre. Dies führe dazu, so die Begründung der IG Freiheit, dass zum Beispiel Fussballvereine für ihre E- und F-Junioren neu den Kindersitz neben den Schienbeinschonern und den Fussballschuhen zur offiziellen persönlichen Ausrüstung erklären müssten.