Italien weigert sich seit Dezember, Flüchtlinge zurückzunehmen, für deren Asylgesuch es laut dem Dublin-Abkommen verantwortlich ist. Damit verletzt Italien wohl EU-Recht. Das Land habe keine Aufnahmekapazitäten, begründet die rechtspopulistische Regierung von Giorgia Meloni (46) die italienische Haltung. Damit ritzt unser Italien ein Hauptprinzip der EU-Flüchtlingspolitik.
Jetzt reist die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (59) nach Rom. Am 31. Mai steht dort eine Aussprache zur Europapolitik an, wie ihr Departement Blick bestätigt. Empfangen wird die Schweizer Justizministerin von Italiens Innenminister Matteo Piantedosi (60).
Beim Treffen will die Schweizer Bundesrätin unter anderem die Migrationssituation und die Aussetzung der Dublin-Rücknahmen durch Italien ansprechen. Ein weiteres Thema seien mögliche Finanzhilfen der Schweiz an Migrationsprojekte in Italien, heisst es aus ihrem Departement.
Über 300 Fälle betroffen
Die Schweiz kann zurzeit rund 320 Personen nicht zurückschaffen, obwohl gemäss Dublin-Abkommen Italien als Einreiseland zuständig wäre. In rund 70 Fällen ist die Zuständigkeit inzwischen auf die Schweiz übergegangen, weil sechs Monate verstrichen sind.
Bei allen politischen Parteien der Schweiz ist der Unmut über die Situation enorm. Besonders gross sind Sorgen und Ärger im Tessin. Der Mitte-Politiker Marco Romano (40) ist Präsident der für Asylfragen zuständigen Staatspolitischen Kommission. Er forderte bereits, dass Bundesrätin Baume-Schneider Italien besuche und politische Verhandlungen führe.
Dementsprechend begrüsst er die anstehende Reise der SP-Bundesrätin, wie er auf Anfrage sagt: «Sie muss in Italien klarstellen, dass wir aufgrund unserer geografischen Lage sehr betroffen sind von diesem Entscheid.» Viele Flüchtlinge passieren auf ihrer Weiterreise nach Deutschland oder Frankreich die Schweizer Grenze. «Es kann nicht sein, dass wir darunter leiden, weil die EU-Länder ein Problem untereinander haben.»
Für Bund ist Auslagerung «nicht durchführbar»
Der SVP-Präsident Maro Chiesa (48) hatte aufgrund Italiens Stopp sogar gefordert, illegal eingereiste Asylsuchende in ein afrikanisches Land abzuschieben. Er verwies dabei auf das Beispiel Grossbritannien, das Asylsuchende nach Ruanda schaffen will. Asylanträge sollen künftig nämlich in Ruanda und nicht in Grossbritannien geprüft werden. Dies soll Menschen von der Überfahrt über den Ärmelkanal auf die Insel abschrecken.
Der Bundesrat antwortete prompt auf Chiesas Vorschlag. Er halte diese Idee für nicht realistisch.