Roger Fricker (51) ist Gemeindeammann, Postauto-Chauffeur und Familienvater
«Meine Familie leidet unter meinen politischen Ämtern»

Der Wecker klingelt um 5.50 Uhr morgens, Feierabend ist um 22 Uhr abends. Das ist der ganz normale Alltag von Vollblut-Milizler Roger Fricker (51). BLICK begleitete den Familienvater und Gemeindeammann einen Tag lang.
Publiziert: 23.04.2018 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:40 Uhr
Nicola Imfeld

Roger Fricker (51) ist ein Arbeitstier. Seit 1998 ist er Gemeindeammann von Oberhof AG. Zusätzlich präsidiert der vierfache Familienvater die Gemeindeammännervereinigung des Bezirks Laufenburg. 

Der Hauptberuf von Roger Fricker ist aber ein anderer: Er arbeitet seit 30 Jahren mit einem Vollpensum als Postauto-Chauffeur. Der Vollblut-Milizler hat ein dichtes Programm.

05.50 Uhr – der Wecker klingelt: Duschen, Zähneputzen, Uniform anziehen. «Das wird ein langer Tag», sagt Fricker und macht sich in der Küche einen Kaffee. Mit der Tasse in der Hand geht er vors Haus, lässt sich von den ersten Sonnenstrahlen wärmen. 

06.20 Uhr – Aufbruch zum Postauto-Depot: Fricker steigt in seinen silbernen VW-Bus. Zwei Minuten dauert die Fahrt. Trotzdem hebt der Gemeindeammann drei Mal seine linke Hand, winkt vorbeigehenden Fussgängern zu. «Das ist mein Fanclub», witzelt er gut gelaunt.

06.35 Uhr – die erste Schicht beginnt: Von Frick AG übers Benkerjoch gehts nach Aarau. Seit 30 Jahren arbeitet Fricker bei Postauto – und ebenso lange fährt er dieselbe Strecke. Langweilig wirds ihm nie. «Es gibt nichts Schöneres als eine Fahrt übers Benkerjoch. Erst recht nicht im Frühling, wenn die Kirschbäume blühen.» Einsteigende Fahrgäste begrüsst Fricker mit einem lauten: «Guete Morge mitenand.» Nur zurückgrüssen mag noch niemand. «Am Morgen habe ich wohl die beste Laune im ganzen Fricktal», sagt er und lacht.

Roger Fricker ist am Morgen bestens gelaunt. Er begrüsst seine einsteigenden Passagiere mit einem lauten: «Guete Morge mitenand.»
Foto: Siggi Bucher

08.45 Uhr – Besuch auf der Gemeindeverwaltung: Frickers erste Schicht ist zu Ende. Er steigt in seinen VW-Bus und düst zum Gemeindehaus. Dort wartet eine dicke Mappe auf ihn. Der Gemeindeammann kritzelt seine Unterschrift auf die Papiere. «Ich komme oft hierher. Der Schichtbetrieb bei Postauto ermöglicht mir die Flexibilität, die ich als Milizler brauche», sagt Fricker. «Und wenns einmal schnell gehen muss, bringt mir der Lehrling die Dokumente ins Postauto.»

Auf der Verwaltung hat Roger Fricker auch Zeit für einen Schwatz mit Gemeindeangestellten. Hier bespricht er ein Geschäft mit Therese Fricker.
Foto: Siggi Bucher

09.45 Uhr – Fahrt zum alten Sitzungszimmer: Jede zweite Woche kommt der fünfköpfige Gemeinderat am Montagabend hier zusammen. Die Sitzung kann bis zu vier Stunden dauern. «Das sind dann schon sehr lange Tage. Aber lieber opfere ich meine Freizeit als das Milizsystem.» Fricker spricht die Reformvorschläge an, das Amt zu professionalisieren. Für den Vollblut-Milizler ein Affront: «Das ist eine Beleidigung gegen mich und meine Berufskollegen. Als ob wir nicht professionell arbeiten würden.»

Zur Professionalisierung von Gemeinderäten oder Gemeindeammänner hat Fricker eine klare Meinung: «Das ist eine Beleidigung gegen mich und meine Berufskollegen. Als ob wir nicht professionell arbeiten würden.»
Foto: Siggi Bucher

10.30 Uhr – Verschnaufpause zu Hause: Frickers Sohn Matthias (15) schraubt vor dem Familienhaus an seinem Töffli herum. Seine anderen drei Kinder – Christoph (19), Angela (21) und Stephanie (18) – sind ausser Haus. Fricker blättert Zeitungen durch, schaut sich die Post an, beantwortet Mails und telefoniert.

11.45 Uhr – Mittagessen: Der Familienvater hat keine Zeit, um hinter dem Herd zu stehen. Gattin Susanne (47) hat für Ehe- und Sohnemann Pasta zubereitet. Verweilen kann Fricker am Mittagstisch nicht – die Passagiere warten schliesslich nicht gerne.

Vor dem Mittagessen hat Fricker Zeit für seinen Sohn Matthias (15).
Foto: Siggi Bucher

12.10 Uhr – Die zweite Schicht beginnt: Bis 20.35 Uhr fährt der Gemeindeammann von Oberhof AG nun über das Benkerjoch und wieder zurück. «Meine Familie leidet unter meinen politischen Ämtern», gibt Fricker offen zu, als er am Bahnhof Aarau einfährt. Früher sei er oft im lokalen Schützenverein anzutreffen gewesen. Auch im Männerchor habe er mitgesungen. «Aber für solche Hobbys habe ich keine Zeit mehr. Mir bleiben noch meine Ausfahrten mit dem Töff. So kann ich abschalten.» Trotz dem Stress: Aufhören will Fricker nicht. «Solange es in mir noch kribbelt, wenn ich vor der Bevölkerung an der Gemeindeversammlung stehe, mache ich weiter.»

Am Nachmittag gehts aber weiter mit Busfahren. Und das bis spätabends 20.30 Uhr.
Foto: Siggi Bucher

21.00 Uhr – Fricker zieht seine Postauto-Uniform aus: Feierabend hat er aber noch immer nicht. «Ich muss mich für die Gemeinderatssitzung noch in Geschäfte einlesen.» Es ist kurz vor 22 Uhr, als der 16-stündige Arbeitstag endet. Erschöpft oder ausgelaugt wirkt Fricker nicht. «Ich bin es mir gewöhnt. Und ich mache es wirklich gerne.»

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