Wer glaubt, dass im Parlament stets nur ernsthaft Politik betrieben wird, sieht sich enttäuscht. Humor hat durchaus seinen Platz bei den 246 Nationalrätinnen und Ständeräten – ebenso bei den sieben Bundesratsmitgliedern. So hielt das amtliche Bulletin, das alle Voten der Politiker protokolliert, immerhin bei 62 Geschäften, die 2022 unter der Bundeshauskuppel besprochen wurden, «Heiterkeit» im Saal fest. Blick zeigt fünf Momente, die für Lacher sorgten.
Albert Rösti – der «Staggeler»
In der Sommersession musste SVP-Nationalrat und Neo-Bundesrat Albert Rösti (55) kurzfristig für Fraktionschef Thomas Aeschi (43) einspringen, um dessen Minderheitsanträge beim indirekten Gegenvorschlag zur Prämienentlastungs-Initiative vorzustellen. «Herr Aeschi hat wahrscheinlich gerade eine wichtige Fraktionsaufgabe», sagte Rösti und sorgte für einen ersten Schmunzler.
Für noch mehr Heiterkeit sorgte, dass ihm das Wort «Verlustscheine» einfach nicht in den Sinn kommen wollte – und er den Begriff stattdessen etwas holprig umschrieb. Am Schluss musste Rösti selbst über sein Gestotter lachen. «Ich hoffe, dass das amtliche Bulletin das etwas eleganter umsetzt und dass ich nicht ein Leben lang mit diesem ‹Gestaggel› aufgeführt werde», gab er zu Protokoll. Und fügte gleich hinzu: «Ich wollte Sie nicht nur belustigen. Bitte stimmen Sie auch den Minderheitsanträgen zu!»
Jacqueline Badran und Ueli Maurer – das alte Ehepaar
Hier SVP-Finanzminister Ueli Maurer (72), dort SP-Wirtschaftspolitikerin Jacqueline Badran (61, ZH). Ging es um Steuerfragen, zankten sich die beiden manchmal wie ein altes Ehepaar – je länger, umso netter. «Wir verstehen uns sehr gut. Wir lieben uns schon fast ein bisschen!», sagte Maurer vor zwei Jahren bei einer Debatte.
In der Wintersession war es nun Badran, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machte. «Ach, Ueli», begann sie wehmütig ihre Abschiedsfrage an Maurer, als es um die OECD-Mindeststeuer ging. Eine Wehmut, die im Saal für Heiterkeit sorgte. Und weil Badrans Frage zu lang ausfiel und sie von Ratspräsident Candinas gerüffelt wurde, schritt Maurer höchstpersönlich ein. Schmunzelnd meinte er zum Bündner: «Stören Sie unser Zwiegespräch jeweils nicht!» Womit Maurer die Lacher auf seiner Seite hatte.
Martin Candinas – der Sportmuffel
Frisch als Nationalratspräsident gewählt, sorgte der Mitte-Mann Martin Candinas (42, GR) in der Wintersession für Lacher. Bei der Verabschiedung der langjährigen Nationalrätin Ruth Humbel (65, AG) verriet er, dass er Humbel erstmals an einem Sportanlass begegnet war – sie als Läuferin, er als Betreuer einer Standaktion.
Später wagten sie sich bei einer Parlamentarier-Stafette in Luzern aber doch gemeinsam auf eine Laufstrecke – wobei Humbel zwölf Kilometer zu absolvieren hatte, Candinas nur deren zwei. Humbel sei aber gleich einen Halbmarathon gelaufen. «Frustriert war ich, als du mich auf meinem bescheidenen Streckenteil vom KKL zum Verkehrshaus eingeholt hast», räumte Candinas ein. «Spätestens da war mir klar: Mit dir nehme ich nie mehr an einem Sportanlass teil.»
Irène Kälin – die verspätete Mahnerin
Für Schmunzler im Saal sorgte regelmässig auch Candinas' Vorgängerin auf dem Präsidentenstuhl, die Aargauerin Irène Kälin (35). Als sich die Grüne in der Herbstsession nicht nur bei ihren «sehr geschätzten», sondern auch «geliebten Vizepräsidenten» für die Zusammenarbeit bedankte, ging ein humorvolles Raunen durch den Saal.
Für noch mehr Lacher sorgte sie aber in der Frühlingssession, als sie die Ratskollegen während eines Votums von SVP-Nationalrat Yves Nidegger (65, GE) zur Ruhe mahnte. «Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn sich Herr Nidegger schon die Mühe macht, zu uns zu sprechen, hören Sie ihm doch bitte zu!» Nur, dass dessen Rede in diesem Moment fertig war, wie auch Kälin feststellen musste: «Herr Nidegger ist mit seinem Votum schon am Ende.»
Roberto Zanetti – der Hornkuhflüsterer
2018 wurde die Hornkuh-Initiative vom Volk mit 55 Prozent Nein-Anteil abgelehnt. Das hinderte SP-Ständerat Roberto Zanetti (68, SO) nicht daran, im Parlament einen Neuanlauf für das Anliegen zu wagen. Die Herzen der Ratskollegen versuchte er zu erweichen, indem er in der Diskussion auf eine Untersuchung hinwies, die nicht ausschliesst, dass die Enthornung bei jungen Kälbern zu Phantomschmerzen führen könne.
Was Mitte-Mann Peter Hegglin (62, ZG) aber nicht zu beeindrucken vermochte. Er habe früher als Landwirt selber enthornte Tiere im Laufstall gehabt, so Hegglin. «Ich habe nie festgestellt, dass sie Phantomschmerzen gehabt hätten.» Was Zanetti zur Replik ermunterte: «Herr Hegglin, Phantomschmerzen empfinden die Kälber und die Kühe und nicht der Bauer. Selbstverständlich haben Sie nie etwas von den Phantomschmerzen gemerkt.»