«Wir waren während neun Tagen gefangen»
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Sudan-Botschafter Winter:«Wir waren während neun Tagen gefangen»

Sudan-Botschafter Winter über schwere Artillerie-Kämpfe in Khartum
«Meine Frau und ich gerieten mit dem Auto mitten ins Gefecht»

Nach der Schliessung der Schweizer Botschaft im Sudan und der erfolgreichen Evakuierung ist das diplomatische Personal am Dienstagmorgen in der Schweiz gelandet. Der Botschafter schildert die dramatischen Stunden auf der Flucht.
Publiziert: 25.04.2023 um 06:33 Uhr
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Aktualisiert: 25.04.2023 um 11:50 Uhr
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Dienstagmorgen in Bern-Belp: Bundesrat Cassis begrüsst den ausgeflogenen Botschafter Christian Winter.
Foto: keystone-sda.ch
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Angefangen hat alles mit Schüssen. Eigentlich wollte der Schweizer Botschafter im Sudan, Christian Winter (64), zusammen mit seiner Frau einfach das Wochenende geniessen. Das war vor neun Tagen. Doch es kam ganz anders. Am Ende mussten sie mithilfe der Franzosen aus dem Kriegsgebiet gerettet werden.

Gemeinsam mit dem weiteren Personal der Schweizer Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum ist Winter am Dienstagmorgen früh, kurz nach 6 Uhr, in der Schweiz eingetroffen. Aussenminister Ignazio Cassis (62) empfing den Botschafter und sein Team am Flughafen Bern-Belp.

Eindrücklich schilderte Winter an der anschliessenden Medienkonferenz in einem Hangar, wie sie im Sudan von der politischen Realität überrollt wurden und wie sie zwischen die Fronten der Kriegsparteien gerieten. Und er erzählte von den dramatischen Stunden auf der Flucht.

Schüsse, Artilleriegeschosse, Luftangriffe

«Wir standen mit unserem Auto mitten im Gefecht», berichtete Winter vom Samstag vor einer Woche, als die Unruhen losgingen. Ab dieser Zeit habe es sehr starken Gefechtslärm gegeben. Es folgten Artilleriegeschosse, Luftangriffe mit Kampfjets, Einsatz von Drohnen. «Die Situation hat sich von Tag zu Tag intensiviert.»

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Seit dem Sturz des langjährigen Diktators Omar al-Bashir 2019 herrscht im Sudan das Militär. Nun startete die 70’000 Mann starke paramilitärische «Rapid Support Forces» (RSF) von General Mohamed Hamdan Dagalo (48) einen Putschversuch gegen die Armee von General Abdel Fattah al-Burhan (63).

Tagelang erschütterten blutige Unruhen die Hauptstadt. Hunderte starben. Und Winter und sein Personal sassen zwischen den Fronten!

«Wir konnten nicht in die Botschaft»

«Wir waren in der Schusslinie und darum in unserer Residenz gefangen», so Winter. Die Kämpfe hätten sich verstärkt, es sei zu Plünderungen gekommen – unter anderem in Wohngebieten, in denen sich auch Botschaften befinden. Die Kämpfer hätten Bewohner verjagt, Geschäfte geplündert, Nahrungsmittel geklaut.

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«Wir konnten uns nicht in die Botschaft verschieben, mussten uns am sichersten Ort unserer Unterkunft aufhalten und uns bestmöglich schützen», erzählte Winter. Ihr Glück: Sie blieben von Plünderungen verschont.

Nur: Sie konnten die Unterkunft nicht verlassen. Durch die Türe zu gehen, wäre zu gefährlich gewesen. Überall Schüsse und Artillerie. Sogar das Mobilnetz brach zusammen. «Wir hatten untereinander per Walkie-Talkie oder Satellitentelefon Kontakt», beschrieb Winter die Möglichkeiten der Kommunikation untereinander.

Evakuierung mit grossen Schwierigkeiten

Am vergangenen Wochenende schliesslich habe sich ein Fenster zur Evakuation aufgetan, berichtete der Botschafter. Bloss: Der Schweizer Delegation sei von Anfang an klar gewesen, dass sie die Evakuation nicht selber bewerkstelligen kann. Man sei im Kontakt mit anderen europäischen Ländern gewesen, unter anderem mit Frankreich.

Für die Evakuierung hiess es schliesslich, dass sich die Schweizer Gruppe zur französischen Botschaft begeben müsse. Die Gruppe habe aus neun Personen bestanden, sechs Offizielle aus verschiedenen Departementen sowie drei Angehörige.

«Die Evakuierung des Botschaftspersonals im Sudan ist mit grossen Schwierigkeiten verbunden gewesen», schilderte Winter. Sie hätten zunächst nicht gewusst, wohin die Reise gehe. Und: «Wir hatten nicht viel Zeit und mussten fast alle unseren Sachen zurücklassen.»

Cassis: «Ich danke allen Involvierten»

Von der Botschaft aus gab es einen Bus-Konvoi, der zunächst von der RSF-Miliz, bewaffnet mit Maschinengewehren, und später von einem Panzer des Militärs zu einer Luftwaffenbasis eskortiert wurde. «Es war eine schwierige Fahrt, mit vielen Kontrollen. Vom Luftwaffenstützpunkt aus sind wir via Dschibuti und Luxor ausgeflogen worden. Die Reise hat insgesamt 17,5 Stunden gedauert», sagte Winter.

Die Rettungsaktion sei nicht einfach gewesen. Sie habe viele Nerven strapaziert, sagte auch Bundesrat Cassis an der Medienkonferenz. Aber es gehe allen gut, das sei das Wichtigste. «Ich danke allen Involvierten für ihre gute Arbeit.»

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