Am 25. September entscheiden die Stimmberechtigten über die neuste AHV-Reform und damit über die Erhöhung des Frauen-Rentenalters von 64 auf 65 Jahre. Es ist ein weiterer Versuch, die finanziell angeschlagene Sozialversicherung zu sanieren.
Nach der jahrzehntelangen politischen Blockade und mehreren gescheiterten Reformvorhaben sei die Abstimmung von grosser Wichtigkeit für die Stabilität des Vorsorgesystems, argumentieren die Befürworter der Reform. Das sieht ein breites Bündnis aus linken Parteien und Gewerkschaften anders: Im März waren über 150'000 Unterschriften gegen die AHV-Reform eingereicht worden.
«Schreckensszenarien nicht bewahrheitet»
«Mehr zahlen, mehr arbeiten, weniger Rente erhalten»: So brachte Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) und Waadtländer SP-Nationalrat, die Pläne der Bürgerlichen bei der AHV auf den Punkt. Die Vorlage sei «ein einseitiger Abbau der Altersvorsorge auf Kosten der Frauen», sagte er vor den Medien in Bern.
Es gehe um sieben Milliarden Franken in den nächsten zehn Jahren, die eingespart werden sollen. Das bedeute für die Frauen, die ohnehin schon rund ein Drittel tiefere Renten hätten als Männer, eine Rentenkürzung von durchschnittlich 26'000 Franken. Maillard erklärte diese Zahl damit, dass jede Frau auf eine Jahresrente von rund 22'000 Franken verzichten muss und in diesem Jahr weitere 4000 Franken in die AHV einzahlen wird.
Laut dem Referendumskomitee ist eine AHV-Reform gar nicht so dringend nötig. Die Schreckensszenarien des Bundesrats bei der AHV hätten sich nicht bewahrheitet, sagte Maillard. Alle zehn Jahre verrechne sich die Regierung um 15 bis 20 Milliarden Franken.
Warnung vor langfristigem Abbau
Das Bündnis befürchtet zudem einen längerfristigen Abbauplan bei den Renten. «Die aktuelle Reform ist der Startschuss zu einer monströsen Demontierung des Rentensystems der Schweiz», sagte Giogio Tuti, Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV. Die Anhebung des Rentenalters auf 67 für alle sei in der Pipeline. Tuti erwähnte die Pläne der Jungfreisinnigen, das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln.
Die aktuelle AHV-Reform heisse auch Mühsal, hielt Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia, fest. Statt in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen, müssten viele Frauen im Gastgewerbe, in der Pflege, an den Ladenkassen und im Logistikbranche ein Jahr länger leiden.
Dazu komme, dass sich die Situation von älteren arbeitslosen Frauen bei einer Rentenaltererhöhung verschärfen würde, sagte Nationalrätin Léonore Porchet (Grüne/VD), Vizepräsidentin des Arbeitnehmerdachverbandes Travailsuisse. Eine von sechs Frauen lebe heute zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung in Armut.
Nationalbank-Gelder nutzen
Das Referendumskomitee stört sich aber nicht nur an der Erhöhung des Frauen-Rentenalters. Auch die mit der Reform vorgesehene Mehrwertsteuererhöhung um 0,4 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent sei abzulehnen, sagte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer. Das Timing dafür sei falsch und falle in eine Zeit, in der die Preise explodierten und ein Prämienschock angekündigt worden sei. «Die Mehrwertsteuererhöhung schwächt die Kaufkraft der gesamten Bevölkerung.»
Als Alternative zu den Plänen der AHV-Reform soll die erste Säule mit den ausserordentlich hohen Gewinnen und den Negativzinsen der Nationalbank gestärkt werden, wie die Gegner der Reform vorschlagen. Ein Ja zu einer AHV-Reform sei «eine Frage des Preisschildes», sagte Meyer. Dieses Preisschild stimme bei der vorliegenden Vorlage nicht.
Maillard betonte, dass die Linke grundsätzlich kompromissbereit sei bei den Reformen der Altersvorsorge - jedoch nur, wenn die Renten erhöht würden. Unia-Chefin Alleva ergänzte: «Eine reine Abbauvorlage wie die vorliegende lehnen wir ab.» (SDA/gbl)
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