Regierung sperrt sich gegen Verbot
Initiative will Bundesrat zu Atomwaffen-Bekenntnis zwingen

Der Bundesrat will den Vertrag für ein umfassendes Atomwaffen-Verbot nicht unterzeichnen. Nun will eine Allianz die Regierung per Volksinitiative zur Teilnahme zwingen.
Publiziert: 02.07.2024 um 16:37 Uhr
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Am Dienstag ist die Initiative für einen Beitritt der Schweiz zum Atomwaffenverbots-Vertrag lanciert worden. Mit dabei: Pauline Schneider, Politische Sekretärin der GSoA, Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter, EVP-Nationalrat Marc Jost, der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga, GLP-Nationalrätin Melanie Mettler, die ehemalige BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti und Annette Willi von der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN, von links).
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Die Allianz für ein Atomwaffenverbot hat am Dienstag ihre Volksinitiative für den Beitritt der Schweiz zum Atomwaffenverbotsvertrag lanciert. Die Uno-Vereinbarung hat zum Ziel, Atomwaffen weltweit zu ächten und deren vollständige Abschaffung zu erreichen.

Dem Initiativkomitee gehören unter anderem der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga, die Zürcher Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter und die Berner GLP-Nationalrätin Melanie Mettler an sowie der Berner EVP-Nationalrat Marc Jost und die frühere Luzerner Mitte-Nationalrätin Rosmarie Quadranti (damals noch BDP).

Aus dem Initiativkomitee ebenfalls vertreten waren bei der Lancierung Vertreterinnen der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa).

Zu den Unterzeichnern gehören ausserdem alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (SP), die Präsidentin der Grünen Schweiz, Lisa Mazzone, und der Chemie-Nobelpreisträger von 2017, Jacques Dubochet.

«Solange der rote Knopf existiert, gibt es keine Sicherheit»

Dieser Vertrag, diese Initiative sei ein Produkt der Zivilgesellschaft, sagte Sommaruga vor den Medien und warnte, eine nukleare Eskalation sei jederzeit möglich – mit einem Knopfdruck. «Solange der rote Knopf existiert, gibt es keine Sicherheit», doppelte Schlatter nach. Mit seiner unklaren Haltung in der Atomwaffenverbotsfrage verspiele der Bundesrat zudem die Glaubwürdigkeit der Schweiz. 

Dass die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen zögere, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, widerspreche ihrer Tradition als Verteidigerin des humanitären Völkerrechts, beklagte Jost. Mettler erinnerte daran, dass mit Österreich und Irland zwei neutrale Staaten den Vertrag ratifiziert haben, der Schweiz somit nichts im Wege stehe, es diesen gleichzutun.

«Wir fordern, dass auf Worte endlich Taten folgen. Heute sind alle Mittel ausgeschöpft, um den Bundesrat zu einem Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag zu bringen», sagte Annette Willi von ICAN. Darum solle nun die Schweizer Stimmbevölkerung über den Beitritt entscheiden können.

Von 70 Staaten ratifiziert

Der Atomwaffenverbotsvertrag, der den Atomwaffensperrvertrag von 1970 ergänzt, trat 2021 in Kraft und wurde bislang von 70 Staaten ratifiziert, nicht aber von den Atomwaffenbesitzern und den mit ihnen verbündeten Staaten.

Vorschläge für einen Atomwaffenverbotsvertrag kamen nach einer Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags auf, an der im Jahr 2010 die fünf offiziellen Atommächte – die USA, Russland, Grossbritannien, Frankreich und China – Aufrufe zum Beginn von Verhandlungen über eine umfassende Nuklearwaffenkonvention zurückwiesen. Abrüstungsbefürworter schlugen daraufhin den Verbotsvertrag als alternativen Weg vor.

Bundesrat sperrt sich

Erst im März hatte sich der Bundesrat gegen einen Beitritt ausgesprochen. Dieser Schritt liege im gegenwärtigen internationalen Umfeld, in dem mit einem neuen Krieg in Europa sicherheitspolitische Aspekte wieder in den Vordergrund gerückt seien, nicht im Interesse der Schweiz, argumentierte die Landesregierung. Zwei Jahre zuvor hatte Russland die Ukraine überfallen.

Der Bundesrat beurteilt zudem die Wirkung des Vertrages als gering, weil er von den Atomwaffenbesitzern, aber auch von fast allen westlichen und europäischen Ländern, nicht anerkannt wird. «Eine Welt ohne Kernwaffen kann aber nur mit und nicht gegen die Besitzerstaaten erreicht werden», schrieb der Bundesrat. Was die Regierung nicht erwähnt, aber der Hauptgrund für das Zögern ist: Sie will der Nato nicht auf die Füsse treten, der man sich gerade annähert. 

Allerdings spricht sich der Bundesrat in der Aussenpolitischen Strategie 2024 bis 2027 unmissverständlich für eine nuklearwaffenfreie Welt aus. Zudem ist die Schweiz seit 1977 Mitglied des Atomwaffensperrvertrages, der von 191 Mitgliedsstaaten, darunter die fünf offiziellen Atommächte, unterzeichnet wurde.

Atomwaffen besitzen gemäss Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri aus diesem Jahr neun Staaten. Am meisten Sprengköpfe unterhält demnach Russland mit 4380, gefolgt von den USA mit 3708. Auf dem dritten Platz folgen die 500 Sprengköpfe Chinas. In Europa verfügen die Atommächte Frankreich über 290 und Grossbritannien über 225 Sprengköpfe. Dahinter reihen sich Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea als Staaten mit Atomsprengköpfen ein.

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