Über 13'000 Kernwaffen befinden sich laut Schätzungen in den diversen Waffenlagern dieser Welt. Der Atomwaffenverbotsvertrag will damit Schluss machen. Knapp eineinhalb Jahren nach dem Inkrafttreten werden die Vertragsstaaten sich nun Mitte Juni zur ersten Konferenz zum Thema treffen.
Die Schweiz wird dabei nur als Beobachterin teilnehmen. Sie hat den Uno-Vertrag nach wie vor nicht unterschrieben. Und das, obwohl das Parlament dem Bundesrat schon vor Jahren genau das beauftragt hat. Die Landesregierung hat die Unterschrift aber immer wieder hinausgeschoben. Sie kritisierte unter anderem den Vertrag als reine Symbolpolitik, denn just die Atommächte und die Nato-Staaten sind nicht mit von der Partie.
Alles anders wegen Putin
Inzwischen ist eine neue Begründung dazu gekommen: Der Ukraine-Krieg, der «eine Zeitenwende in der europäischen Sicherheitspolitik» bedeute, wie der Bundesrat kürzlich in einer Vorstossantwort schrieb. Gerade jetzt müsse der Westen so geschlossen wie möglich auftreten.
Gleichzeitig deute schliesslich nichts darauf hin, dass der Vertrag «das Handeln in Moskau oder in anderen Staaten im Besitze von Kernwaffen prägt». Die Landesregierung will nun erst die kommenden Konferenzen zum Verbotsvertrag sowie eine spätere zum Atomwaffensperrvertrag abwarten und dann die Übung neu beurteilen.
Es ist eine Antwort, die Links-Grün sauer aufstösst. Auch sie argumentieren mit Symbolpolitik: «Ausgerechnet jetzt, wo die Bedrohung eines Atomkrieges beängstigend realistisch ist, sollte die Schweiz erst recht für ein Verbot von Kernwaffen einstehen», sagt Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (42).
Schweiz will US-Kampfjets
Schlatter vermutet ein anderes Motiv für die neueste bundesrätliche Ausrede: Druck aus den Vereinigten Staaten. «Es ist ein in der Bundesverwaltung offenes Geheimnis, dass die USA über den Kampfjet-Deal Druck machen, damit die Schweiz den Vertrag nicht unterschreibt», kritisiert Schlatter. Hintergrund ist der geplante Kauf der amerikanischen F-35-Jets. Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (59) will den Kaufvertrag für den Kampfjet-Deal möglichst bald unterzeichnen.
Die USA haben sich gegen den Atomwaffenvertrag gestellt und in der Vergangenheit auch Druck auf andere Länder gemacht, damit diese den Vertrag nicht unterschreiben – etwa Schweden.
«Die Schweiz kuscht vor dem Druck der Amerikaner», findet auch SP-Aussenpolitiker Fabian Molina (31). Vor allem aber verstosse der Bundesrat gegen das Gesetz: Dieses sieht vor, dass die Regierung den Willen des Parlaments innert zwei Jahren umsetzen muss. Das gehe schlicht nicht an. Er habe nun Kontakt mit dem Rechtsdienst des Parlamentes aufgenommen, um zu prüfen, welche Optionen offen stehen.
Mitte wechselt die Seiten
Im Parlament hat der Wind indessen gedreht. «Vermutlich würde ich heute einer Unterzeichnung des Vertrages nicht mehr zustimmen», sagt Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (58), die vor vier Jahren noch aufs Ja-Knöpfchen gedrückt hatte.
«Eine Welt ohne Kernwaffen muss das Ziel bleiben», betont die Aussenpolitikerin. Sie befürchtet aber, dass die Unterschrift gar kontraproduktiv sein könnte. Der Ukraine-Krieg habe geopolitisch viel verändert. Die Schweiz müsse mehr denn je mit den Atommächten im Dialog bleiben, um die Verwendung von Kernwaffen zu verhindern.
Vom amerikanischen Einfluss will Schneider-Schneiter nichts hören. «Das ist an den Haaren herbeigezogen», findet sie, schliesslich sei der Bundesrat dem Vertrag immer kritisch gegenüber gestanden: «Es ist richtig, dass er die kommenden Konferenzen abwartet, schliesslich ist eine internationale Abstimmung in dieser Frage entscheidend.»
Grüne gehen auf Rückzug
Die Grünen indessen, die den Bundesrat wiederum per Vorstoss endgültig zur Unterschrift zwingen wollten, haben diesen wieder zurückgezogen. Denn ohne Stimmen der Mitte wäre dieser zum Scheitern verurteilt. «Das hätte sicher den Schweizer Auftritt an den Konferenzen zum Thema einfacher gemacht», sagt Schlatter. «Doch den Gefallen mögen wir nicht machen.»