«Bravo!», jubelte Thierry Burkart (48) vor ein paar Jahren: «Das schafft Rechtssicherheit und mehr Kapazität auf der Nationalstrasse!» Der Grund für die Freude beim heutigen FDP-Präsidenten: Das Parlament hatte seinen Vorschlag, das Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen zu erlauben, angenommen.
Seit 2021 ist die Regel in Kraft. Mit der Rechtssicherheit ist es aber nicht weit her, findet Burkarts Parteikollege Beat Walti (55). Ihm ist die Regel zu wenig klar und er fordert Nachbesserung.
Wann wird Vorbeifahren zu Überholen?
In der Tat lässt der Gesetzesartikel grossen Spielraum offen: Zwar ist das Rechtsvorbeifahren nun erlaubt – aber nur bei Stau, stockendem Kolonnenverkehr oder einem Unfall auf dem linken oder mittleren Fahrstreifen. Dann darf man «mit der gebotenen Vorsicht» rechts vorbeifahren. Rechtsüberholen, also wieder auf die linke Spur einschwenken, bleibt weiterhin verboten und wird gebüsst.
Nur: Wann wird aus Rechtsvorbeifahren das verbotene Rechtsüberholen? Oder: «Was genau ist eine Kolonne?», fragt sich Walti.
So genau kann das niemand sagen. An einem Beispiel macht der Zürcher Freisinnige die «Absurdität» deutlich. «Wenn ein einzelner ‹Schleicher› auf der linken Spur fährt, darf man eigentlich nicht rechts vorbeifahren. Wenn der Schleicher aber zwei bis drei Autos hinter sich hat, und Sie kommen als Nummer 4, dann dürfen Sie die ‹Kolonne› mit konstantem Tempo rechts passieren. Macht das Sinn?»
Beim Überholen droht Busse und Ausweisentzug
Während Rechtsvorbeifahren erlaubt ist, kommt Rechtsüberholen teuer zu stehen. Im Minimum droht eine 250-Franken-Busse. Wer andere gefährdet, muss mit Verzeigung und Fahrausweisentzug rechnen. Gemäss Walti kommt hinzu, dass die Umsetzung nicht in allen Kantonen gleich erfolge – in einem Kanton würde die Polizei schneller Rechtsüberholer ahnden als in einem anderen.
Wo Walti recht hat: Sehr viele Autolenker, das Bundesamt für Strassen spricht von 70 Prozent, sind systematisch auf der linken oder mittleren Spur unterwegs – und das nicht immer mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Dort kommt es auch besonders häufig zu Auffahrunfällen.
Der FDP-Nationalrat hat sich darum an den Bundesrat gewandt mit der Bitte, nochmals über die Bücher zu gehen. Der Bundesrat sieht aber keinen Handlungsbedarf. «Nach Kenntnis des Bundesrats hat sich die Regelung bisher bewährt und weder die Verkehrssicherheit noch die Rechtssicherheit beeinträchtigt», hat er Walti geantwortet.
Beratungsstelle hat keine Freude
Das bestätigt das Bundesamt für Strassen (Astra). Die Auswertung der Unfallzahlen zeige keine Zunahme von Unfällen seit der Einführung. Im Gegenteil: «Mit einem möglichst stetigen Verkehrsfluss werden Strassen besser ausgelastet. Zudem kommt es dabei zu wenigen Unfällen», so das Amt.
FDP-Nationalrat Walti will dennoch nicht lockerlassen und verweist auf verschiedene Gerichtsurteile. «Ich denke, eine klarere Regelung ist möglich und wäre sinnvoll.» Er werde nun das Gespräch mit der Verwaltung suchen. Wenig Freude dürfte bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) aufkommen. Ihrer Meinung nach führt die neue Regelung zu kritischen Situationen: Durch die Erlaubnis, rechts vorbeizufahren, gestalte sich nämlich der Spurwechsel von der linken auf die rechte Spur schwieriger.