Die Grünen-Nationalrätin Meret Schneider (31) wollte lustig sein. Doch mit X (ehemals Twitter) war nicht zu spassen. Die Plattform zog bei Schneider kurzerhand den Stecker und sperrte ihr Profil während zwei Tagen.
Die Zürcherin hatte dazu aufgerufen, in Kommentaren aufzuzeigen, warum Polarisierung und der Populismus das Hinterletzte sei und weshalb «man diese überbezahlten Politfratzen an ihrer eigenen verdammten Bundesterrasse erhängen» sollte. Mit dem «Erhängen» hatte sie zweifellos eine Linie überschritten.
X sieht kein Problem
Zur selben Zeit sind im dem sozialen Netzwerk jedoch Nachrichten kursiert, in denen der Holocaust geleugnet wurde – und darin sah X kein Problem.
So schrieb ein anonymer Account unter dem Profil von Auschwitz Memorial: «Der Holocaust ist ein lächerlicher Scherz und Hitler hatte recht.» Das Museum Auschwitz Memorial erinnert an die Millionen Opfer des Nazi-Regimes – und wollte sich wehren.
Schlag ins Gesicht
Die Institution meldete den Kommentar auf X. Doch die Plattform antwortete: «Nach Prüfung der verfügbaren Informationen haben wir festgestellt, dass in dem von Ihnen gemeldeten Inhalt keine Verstösse gegen die Twitter-Regeln vorliegen.» Für Auschwitz Memorial kommt das einem Schlag ins Gesicht gleich – wobei es nicht der Erste war.
Auf Blick-Anfrage sagt ein Sprecher des Museums, dass sie solche Holocaust-Leugnungen und antisemitische Beiträge meist als Antworten auf ihre Tweets erhalten. Jedoch funktioniere das Meldesystem seit einigen Tagen nicht. «Deshalb teilt uns X stets mit, dass die Tweets nicht gegen die Richtlinien verstossen», so der Sprecher.
«Rassisten dürfen sich wohlfühlen»
Elon Musk (52), der Inhaber von X, äusserte sich immer wieder auf eine Art und Weise, die bei Lesern einen judenfeindlichen Eindruck erwecken können. Deshalb sagt Martin Steiger (44), Anwalt für Recht im digitalen Raum: «Es überrascht mich nicht, dass die Leugnung des Holocaust geduldet wird.» Denn Musk hat die Abteilungen und Teams, die Inhalte moderieren und Nutzer sanktionieren, weitgehend aufgelöst.
Daraus schlussfolgert Steiger: «Corona-Leugner, Putin-Freunde und Rassisten dürfen sich bei X besonders wohlfühlen.» Um Personalkosten einzusparen, entscheiden nun hauptsächlich Algorithmen darüber, wer gesperrt wird. Dabei legt X nicht offen, wie diese funktionieren. In der Folge kann es zu unbegründeten und willkürlichen Sperrungen kommen. «Alle müssen jederzeit damit rechnen, blockiert zu werden», sagt Steiger.
Da es in der Schweiz keine Regulierung von Online-Plattformen gibt, können soziale Netzwerke wie X nach ihrem eigenen Gusto walten und schalten. Und, wie das Beispiel des Memorial Auschwitz zeigt, mit höchst unbefriedigenden Ergebnissen.
Eine Blick-Nachfrage bei der Plattform X dazu blieb unbeantwortet.