Puff um Härtefäll-Hilfen
«Viele Kantone lassen die KMU hängen»

Parlament und Bundesrat gewährleisten das Hilfsprogramm bis Ende Jahr. Bei der Umsetzung aber wütet einmal mehr der Kantönligeist.
Publiziert: 05.09.2021 um 11:10 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2021 um 14:36 Uhr
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Die Schausteller erleiden noch immer hohe Einbussen.
Foto: Keystone
Simon Marti

Sicher ist sicher, sagte sich der Nationalrat im Juni und beschloss eine Verlängerung des Härtefallprogramms. Bis Ende Jahr sollten Betriebe, die besonders hart von der Covid-Pandemie getroffen wurden, Entschädigungen erhalten. So wollte das Parlament trotz der anziehenden Konjunktur und absehbaren Lockerungen der Schutzmassnahmen garantieren, dass Firmen in Not nicht durch die Maschen fallen.

Ein Entscheid ganz im Sinne des Bundesrates, der den Kantonen in der Folge zusätzliche 300 Millionen Franken zur Stützung stark betroffener Unternehmen bereitstellte. Aber noch immer pochen die Kantone bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen auf ihre Autonomie. Und so wiederholt sich der kantonale Wildwuchs, der das Hilfsprogramm bereits bei seiner Einführung kennzeichnete: Manche Stände führen ihre Härtefallhilfen fort, andere lassen sie auslaufen. Eine dritte Gruppe hat sie längst eingestellt.

Verschiedene Fristen je nach Kanton

Zürich zum Beispiel greift Unternehmen mit einem Umsatzmaximum von fünf Millionen Franken weiterhin unter die Arme, wenn diese Firmen in der Vergangenheit bereits ein Gesuch eingereicht haben. Während die Aargauer Behörden noch bis Ende Monat Gesuche entgegennehmen, läuft die Frist in St. Gallen bis zum 31. Oktober.

Bern wiederum hat sein Härtefallprogramm bereits beendet. Der Regierungsrat habe den Abschluss des Programms auf Ende August festgelegt, «da die wesentlichen pandemiebedingten behördlichen Einschränkungen Ende Juni 2021 ausgelaufen sind und die Unternehmen bis Ende August 2021 ihren Maximalbetrag gemäss Bundesrecht per Gesuch beantragen konnten». Das schreibt die Berner Wirtschaftsdirektion auf Anfrage. Dabei ersuchten zahlreiche Berner Betriebe bis zuletzt um eine Entschädigung. Seit Juli seien im Schnitt 10 bis 20 Gesuche pro Tag eingegangen; es zeichne sich aber ab, dass diese Zahl per Ende August deutlich angestiegen sei, so die Wirtschaftsdirektion. Erstreckt wird die Frist dennoch nicht.

Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (59) kritisiert den Wildwuchs scharf. Der Bundesrat habe den Kantonen sogar neue Instrumente gegeben, «um die kleinen Betriebe vor dem Konkurs zu retten». Der Unwille, dies zu tun, sei tragisch. «Viele Kantone lassen die KMU hängen», sagt die Bernerin. Weder Bundesrat noch Parlament bestritten den Vollzug durch die Kantone, doch seien die gesprochenen Mittel längst nicht ausgeschöpft.

Diverse Wirtschaftszweige haben immernoch zu kämpfen

Wirtschaftszweige wie die Eventbranche oder die Schausteller haben nach wie vor massiv zu kämpfen – und wenig Aussicht, dass sich dies kurzfristig ändert. Anlässe wie die Oltner Chilbi oder zuletzt die Luzerner Herbstmesse wurden abgesagt. «Es sieht nicht gut aus», sagt Peter Howald, Präsident des Schaustellerverbandes Schweiz. «Es fallen nicht nur Jahrmärkte im kommenden Herbst aus, mancherorts werden bereits die Weihnachtsmärkte infrage gestellt.»

Die Schaustellerverbände, der Marktverband und der Verein der Zirkusse haben sich diese Woche mit einem Brief direkt an den Bundesrat gewandt. «Täglich werden wir durch Absagen von Veranstaltungen bis Ende 2021 konfrontiert. Es sind unsere Arbeitsplätze. So können wir nicht überleben.» Der Bundesrat müsse sich für einheitliche Vorgaben bei der Bewilligung der Anlässe in den Kantonen einsetzen. Weiter solle die staatliche Unterstützung bis Ende April 2022 verlängert werden.

Die Verlängerung der Hilfen sei ja gerade mit Blick auf Branchen wie die Schausteller beschlossen worden, sagt Rytz. «Sie konnten seit März 2020 faktisch keine Einnahmen generieren. Nun stehen viele Familienbetriebe und eine jahrhundertealte Tradition vor dem Ruin.» Sie wird das Thema in der nächsten Sitzung der Wirtschaftskommission des Nationalrats aufbringen. Rytz: «Schon heute ist klar: Ohne Unterstützung stehen viele Familienbetriebe 2022 vor dem Aus.»


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