Die Odal-Rune. Es ist ein Symbol, das rassistischen Kreisen am Herzen liegt. So sehr, dass die «National Socialist Movement», die grösste Neonazi-Gruppe in den USA, es dem Hakenkreuz vorzog, um «sich besser zu integrieren und ein grösseres Publikum anzusprechen», schrieb 2017 die kanadische Zeitung «La Presse». Warum also liken zwei SVP-Mitglieder das Symbol auf Facebook? Und warum hat es einer von ihnen sogar auf seinem rechten Arm tätowiert?
Likes für verurteilten Holocaust-Leugner
Doch von Anfang an: Philippe Brennenstuhl, Präsident der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), hat seit dem 20. September ein neues Facebook-Profilbild. Der Waadtländer, der in diesem Frühjahr wegen Diskriminierung und Aufstachelung zum Hass rechtskräftig verurteilt wurde, nachdem er eine Anspielung auf «Unwahrscheinlichkeit in der Geschichte des Holocaust» gemacht hatte, zeigt im Vordergrund seinen Motorradhelm.
Zu sehen ist eine Odal-Rune, die bei Rechtsextremisten seit Jahrzehnten beliebt ist. Die 7. SS-Division verwendete sie sogar als Logo. Insgesamt 53 Personen gefällt das vom 60-Jährigen gepostete Bild. Sieht man sich die Liste der Personen genauer an, fallen zwei Namen auf: Christophe Loperetti und Eric Bertinat.
Der Erste ist SVP-Gemeinderat in Yverdon-les-Bains VD. Der Zweite, der kein offizielles Mandat mehr hat, war noch bis im vergangenen Monat SVP-Gemeinderat in Genf. Er gehörte drei Legislaturperioden lang dem Grossen Rat an und war 14 Jahre lang Generalsekretär der SVP-Genf.
Auf Anfrage distanziert sich Lopretti von Brennstuhls Ideologie, «der wirklich rechtsextrem ist». «Ich bin seit mehreren Jahren Heide und deshalb liebe ich diese sehr alte Wikinger-Rune, die ich übrigens auf meinem Arm tätowiert habe», erklärt er. «Die Nazis haben tatsächlich viele Symbole übernommen wie das Hakenkreuz und das Motiv, über das wir sprechen.» Diese Symbole hätten aber eine ursprüngliche, unabhängige Bedeutung. Und Loperetti bemüht einen Vergleich: «Hitler war Vegetarier, aber das heisst nicht, dass alle Vegetarier Nazis sind.»
Doch: Wenn Loperetti nicht mit rechtsextremen Thesen sympathisiert, warum hat er dann das Profilbild des Pnos-Präsidenten gelikt, dessen Positionen allgemein bekannt sind? «Er ist ein Biker-Freund, trotz unserer unterschiedlichen Meinungen», sagt er*. Er habe Brennenstuhl vor 18 Jahren auf einer Party in einem Biker-Lokal in Yverdon kennengelernt. «Er ist jemand, mit dem ich mich oft unterhalte und mit dem ich zum Beispiel Wanderungen unternommen habe. Ich habe Freunde aus allen politischen Lagern und lege Wert auf diese Freiheit.»
Loperetti versichert zudem, dass er zu seiner Tätowierung stehe. Auch wenn ihm das Symbol mehrmals vorgeworfen worden sei: «Ich werde sie nicht entfernen. Daneben habe ich die Schweizer Flagge. Wenn die extreme Linke sie übernehmen würde, würde ich sie auch nicht entfernen.»
Weniger gesprächig zeigt sich Eric Bertinat, willigt aber ein, gemeinsam mit seinem Anwalt schriftliche Fragen zu beantworten. Kannte er die Bedeutung dieser Rune für die extreme Rechte, als er seinen Daumen virtuell hochhielt? Wenn nicht, likt er häufig Dinge, deren Bedeutung er nicht kennt? Welche Verbindung hat er generell zu Philippe Brennenstuhl?
Die Fragen blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Trotz mehrstündiger Wartezeit und einer letzten Erinnerung per E-Mail und SMS hat der damalige Vorsitzende der mittlerweile aufgelösten Genfer nationalistischen Bewegung Vigilance kein Zeichen mehr von sich gegeben.
*Christoph Loperetti wollte dieses Zitat ändern, nachdem er es zunächst schriftlich bestätigt hatte.