Wahlkampf auf dem Schiessstand
6:39
Waffenrecht:Wahlkampf auf dem Schiessstand

Pro und Kontra zum Waffenrecht – Duell auf dem Schiessstand
«Dieses Gesetz entwaffnet niemanden!» – «Die EU will viel weiter gehen!»

Am 19. Mai stimmt die Schweiz über ein schärferes Waffenrecht ab. Der Widerstand ist gross. BLICK lud SVP-Nationalrat Werner Salzmann (56) und BDP-Nationalrat Duri Campell (56) zum Wettschiessen – und Streitgespräch.
Publiziert: 22.04.2019 um 17:39 Uhr
|
Aktualisiert: 23.04.2019 um 10:48 Uhr
1/12
Sportliche Herausforderung: BLICK lud BDP-Nationalrat Duri Campell (l.) und SVP-Nationalrat Werner Salzmann zum Wettschiessen nach Mülchi BE.
Foto: BLICK
Cinzia Venafro

Geladen sind beide – doch beim neuen EU-Waffenrecht schiessen Werner Salzmann (56), SVP-Nationalrat und Präsident des Berner Schützenverbands, und der passionierte Jäger und BDP-Nationalrat Duri Campell (56) in entgegengesetzte Richtungen. Salzmann kämpft gegen das neue EU-Waffenrecht, Campell plädiert für ein Ja an der Urne am 19. Mai. BLICK lud die beiden Waffenfreunde ins Schützenhäuschen von Mülchi BE zum Schlagabtausch in Worten – und Wettschiessen mit dem Sturmgewehr 90 der Schweizer Armee.

Soeben haben Sie auf eine 10er-Scheibe geschossen – auf 300 Meter Abstand. Erinnern Sie sich, wie Sie zum ersten Mal den Abzug drückten?
Werner Salzmann: Oh ja, ich war etwa zehnjährig und durfte mit dem Karabiner auf dem Gurten beim Feldschiessen mitmachen. Ich erinnere mich gut an den kleinen blauen Flecken auf der Schulter.

Duri Campell: Und ich war neun und schoss mit dem Jagdgewehr. Meine ganze Schulter war danach blau. In Graubünden jagen wir mit Kaliber 93 – das tut dann weh!

Die blauen Flecken waren offenbar nicht abschreckend: Beide Männer haben für den Schiess- oder Jagdsport Feuer gefangen. Campell ist mit dem Sturmgewehr allerdings nicht so treffsicher wie Salzmann. Beim Wettschiessen erzielte er 55 Punkte – Salzmann 88.

Sind Sie enttäuscht, Herr Campell?
Campell: Nein, ich bin halt Jäger, ich habe viel schneller abgedrückt als Kollege Salzmann. Beim Wild kann man nicht warten. (Lacht) Und wenn ich bedenke, dass ich vor 25 Jahren zuletzt ein Sturmgewehr in der Hand hatte, bin ich zufrieden mit meinen 55 Pünktchen.

Salzmann: Es ist wie in der Politik: Ich musste mich stets gegen die Linkslastigkeit des Laufs wehren. (Lacht) Aber meine 88 Punkte sind ein passables Resultat.

Herr Campell, die Gegner des Waffenrechts behaupten, Jäger und Schützen würden damit entwaffnet. Wie wollen Sie ohne Waffe einen Hirsch schiessen im Herbst?
Campell: Ich lasse mich sicher nicht entwaffnen! Ich will meine Waffe zu Hause haben und mit ihr üben. Dieses Gesetz entwaffnet niemanden, der schiessen will. Der Bundesrat hat gut mit der EU verhandelt: Um weiterhin eine Waffe besitzen zu dürfen, müssen wir keinen Psychotest machen, man muss in keinem Verein sein – und Soldaten, welche die Waffe nach Hause nehmen, können das grosse 20-Schuss-Magazin behalten. Das zeigt mir, dass wir gelernt haben, gegenüber der EU für unser Recht zu kämpfen. Und das war ein richtiger Kampf!

Werner Salzmann: Wenn ein BDP-Nationalrat sagt, eine SP-Bundesrätin habe in Brüssel für ein gutes Waffenrecht gekämpft, ist das eine sehr falsche Lagebeurteilung! Bundesrätin Sommaruga wollte schon seit jeher den Privatwaffenbesitz in der Schweiz einschränken – ja sogar abschaffen.

BLICK: Die EU hat das Waffenrecht nach den Terroranschlägen von Paris angepasst, Bundesrätin Sommaruga hat für die Schweiz dann verhandelt.
Werner Salzmann: Diese psychologischen Tests, die man hier noch knapp abwenden konnte, sind schon wieder in der Pipeline! EU-Ratspräsident Juncker sprach von einem «Meilenstein». Ein Meilenstein ist ein Zwischenziel. Die EU will viel weitergehen! Sie will halbautomatische Waffen verbieten, Psychotest einführen – und grosskalibrige Jagdwaffen wird sie gleich auch noch drannehmen. Es tut mir weh fürs Schützenland Schweiz, wie die Jäger hier argumentieren.

Campell: Ich garantiere: Wenn die EU zu weit geht, werde ich auch Stopp sagen! Bei jeder Gesetzesänderung kann man das Referendum ergreifen. Oder die Schweiz kann sagen, dass man nicht mehr bereit ist, mitzumachen. Aber jetzt stimmen wir über eine moderate Anpassung ab. Kollege Salzmann spricht davon, was werden könnte. Das ist der Unterschied: Wir Jäger, wir schiessen jetzt aufs Tier. Was danach kommt, beurteilen wir danach.

Salzmann: Falsch! In der EU-Richtlinie steht es heute schon drin! 2027 ist vielleicht schon die Entwaffnung eingeleitet! Wir müssen doch als Politiker erkennen, was alles versteckt ist in dieser EU-Richtline. 

Campell: Das ist Angstmacherei! Ihr wollt einfach nicht wahrhaben, dass wir Gesetzesänderung im Parlament besprechen und gegebenenfalls dann stoppen können, wenn sie auf dem Tisch liegen. Jetzt liegt das, was Sie behaupten, nicht auf dem Tisch.

Salzmann ist leidenschaftlicher Sportschütze – und Vereinspräsident. Müsste er eigentlich nicht froh sein über das neue Waffenrecht? Es verlangt schliesslich, dass künftig alle Schützen entweder Vereinsmitglied sind – oder regelmässig schiessen.

Das neue Waffenrecht garantiert Ihnen den Nachwuchs, Herr Salzmann!
Salzmann: Aber wir wollen doch keine Schützen, die zu uns müssen. Wir wollen Leute, die zu uns passen und keine Zwangsmitglieder! Das Traurige ist, dass die Jäger nicht solidarisch mit uns Schützen sind. Ich will dann den Ersten sehen, bei dem uniformierte Polizisten vor dem Haus stehen und läuten, nur weil der Nachbar sagte, der hat ein Sturmgewehr im Estrich. Eine Frau, die als Andenken noch das alte Sturmgewehr ihres Mannes im Estrich hat, und vergisst diese Waffe zu registrieren, wird kriminalisiert.

Campell: Menschen, die das Sturmgewehr zu Hause haben und es nicht gebrauchen: Ob das jetzt gesund ist? Wir lassen mal offen, wie gefährlich das ist! Sie wissen genau: Wenn man in alten Häusern aufräumt, kommen noch so manche Waffen hervor. Und dass dies aufhört, das ist gut!

Ihre Kampagne Herr Campell heisst nicht nur Ja zum neuen Waffenrecht – sondern auch Ja zu Schengen.
Campell: Wenn wir dieses Waffenrecht nicht annehmen, müssen wir Schengen kündigen! Und das wäre eine Katastrophe für die Sicherheit der Schweiz – und den Tourismus. Vor allem Asiaten kommen nicht in die Schweiz, wenn sie ein spezielles Visum brauchen.

Salzmann: Wenn ein Visum ein Problem wird, ändern wir zwei Artikelchen im Gesetz und gut ist. Wir können das einseitig regeln. Der Bundesrat sagte 2014, als das Stimmvolk Schengen annahm: Wenn eine Richtlinie nicht übernommen wird, ist der Bundesrat verpflichtet, mit der EU eine pragmatische Lösung auszuhandeln mit dem Ziel, das Land im Schengenraum zu behalten. Von sofort kündigen steht da nichts drin!

Bundesrätin Karin Keller-Sutter sagt, die EU werde «der Schweiz den Stecker ziehen».
Salzmann: Wenn es so wäre, wie die Bundesrätin sagt, müsste es im Gesetz stehen, dass wir rausfliegen bei Nichtübernahme. Aber wir haben ja einen gemischten Ausschuss und 90 Tage Zeit zum Verhandeln. Wenn die EU uns aus Schengen wirft, wird die Schweiz zum weissen Fleck, wo sich potenzielle Terroristen verstecken können.

Campell: Und wenn wir aus dem gemeinsamen Informationssystem fliegen, kostet das die Schweiz pro Jahr 400 bis 500 Millionen!

Salzmann: Herr Campell, sagen Sie mir ein Grund, warum wir aus Schengen rausfliegen würden?

Campell: Weil wir die Richtlinien dann nicht mehr einhalten. Punkt!

Salzmann: Das ist doch kein Grund!

Campell: Sicher ist das ein Grund! Wenn ich einen Wohnungsvertrag abschliesse und drin steht, dass ich keinen Hund halten darf und ich mir plötzlich einen Hund zutue, dann muss ich aus der Wohnung raus. Das ist ein Kündigungsgrund. Wenn wir uns nicht mehr an die Spielregeln halten, können wir nicht mehr teilhaben.

Eidgenössische Abstimmungen am 19. Mai 2019

Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.

  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.

Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.

  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.
Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?