Es gibt wohl nicht sehr viele Länder, in denen der Anwärter für ein Regierungsamt beteuern muss, dass er melken und misten kann. Beat Jans (59), seit gestern offizieller Bundesratskandidat der SP, sah sich Ende September dazu gezwungen.
Sechs Sozialdemokraten buhlten um die Gunst ihrer Genossen. Vordergründig war man – in gutschweizerischer Manier – nett zueinander. Man sieht sich schliesslich immer zweimal in der überschaubaren Eidgenossenschaft.
«Erzfeind der mächtigen Bauernlobby»
Hinter den Kulissen allerdings schenkten sich die gegnerischen Lager nichts, und gerade der adrette Jans geriet zur grossen Gefahr für seine Konkurrenz: Der Basler hat Regierungserfahrung, strahlt bürgerliche Tugenden aus und kann als gelernter Landwirt eine bodenständige Berufslehre vorweisen. Auch wenn er später an der ETH ein Umweltstudium absolvierte – das von Juso-Politikern bekannte Muster «Kreisssaal, Hörsaal, Ratssaal» ist nicht das seine. Also holten die Gegenspieler in Bundesbern einen mächtigen Block zu Hilfe: die Bauern.
Und flugs mutierte der allseits beliebte Jans in den Tamedia-Zeitungen zum «Erzfeind der mächtigen Bauernlobby». Konventionelle Landwirte, schreiben die Journalisten, würden «alles daransetzen, Jans zu verhindern». Dabei kommt in einem Parlament, in dem Bauernpräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter (56) zu den absoluten Topshots gehört, das Etikett des Bauernschrecks beinahe schon einem politischen Todeskuss gleich. Worauf stützte sich diese Kampagne gegen den Basler?2015 zum Beispiel hatte Jans per Vorstoss Subventionen für die Fleischwerbung stoppen wollen. In der Werdstrasse-Redaktion zitierte man den Bauern und SVP-Nationalrat Marcel Dettling (42), der sich beschwerte, Jans habe im Parlament «stets diametral gegen die Interessen der Landwirtschaft gekämpft».
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Dabei zeigt eine simple Recherche auf der Website des Parlaments, dass zwischen die SP-Kandidaten kaum ein Blatt Papier passt, wenn es um ihre Haltung in der Landwirtschaftspolitik geht.
Kritische Haltung gegenüber konventionellen Bauern
Jon Pult (39), Jans’ Bündner Herausforderer, hat noch einmal Glück gehabt. Ihm kommt die Gnade der späten Wahl zugute: Als der Basler die erwähnte Motion einreichte, war Pult schlicht noch nicht im Bundesparlament und konnte das Ansinnen gar nicht unterstützen. Der studierte Historiker ist erst eine Legislatur lang in Bern, doch auch bei ihm findet sich eine kritische Haltung gegenüber konventionellen Bauern. 2020 etwa reichte SP-Vertreterin Martina Munz (67) die Motion «Fleischwerbung nur für Produkte der Tierwohlprogramme» ein. Bei dieser Abstimmung zum Beispiel drückte Jon Pult natürlich ebenfalls den Ja-Knopf.
Wie auch immer – das Politmarketing allerdings hat funktioniert. Jans dürfte das Attribut «Bauernschreck» so schnell nicht wieder loswerden. Oder vielleicht doch?
Anfang Dezember müssen sich Jans und Pult der Parlamentarischen Gruppe Landwirtschaft stellen.