Piepsende Tempowarnung
Neue EU-Regelung sorgt bei Schweizer Autofahrern für Unmut

Eine neue EU-Regelung nervt auch Schweizer Autofahrer. Denn seit Sommer besitzen auch hierzulande Neuwagen standardmässig einen «intelligenten Geschwindigkeitsassistenten». Und dies, obwohl er eigentlich in der Schweiz nicht nötig wäre.
Publiziert: 10:47 Uhr
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In Neuwagen piepst es seit diesem Sommer, wenn zu schnell gefahren wird.
Foto: Den Rozhnovsky

Auf einen Blick

  • Neue EU-Regelung: Tempowarnung in Neuwagen nervt Schweizer Autofahrer
  • Schweizer Markt zu klein für Sonderlösung ohne Tempoassistent
  • Jährlich sterben über 20'000 Menschen auf Europas Strassen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Nur ein Kilometer zu schnell – und schon piepst das Auto. Schweizerinnen und Schweizer, die seit Sommer ein neues Auto gekauft haben, werden das Problem kennen. Denn egal ob beim Überholen auf der Landstrasse oder beim raschen Aufschliessen in einer Autokolonne – die Tempowarnung ist treuer Begleiter.

Grund für den Lärm ist eine neue EU-Regelung. So müssen seit Sommer 2024 alle Neuwagen in der EU mit einem «intelligenten Geschwindigkeitsassistenten» ausgestattet sein, der die Fahrerinnen und Fahrer bei einer Tempoüberschreitung geisseln soll.

Tempoassistent eigentlich nicht in Schweizer Vorschriften

Obwohl die Schweiz nicht zur EU gehört, gelten die meisten fahrzeugtechnischen Vorschriften auch hier. Der Grund ist ein bilaterales Abkommen zum Abbau technischer Handelshemmnisse. Allerdings: «Die Geschwindigkeitsassistenz stellt eine Ausnahme dar und wird explizit nicht in die Schweizer Vorschriften aufgenommen», erklärt Thomas Rohrbach, Mediensprecher des Bundesamts für Strassen (Astra), gegenüber den Zeitungen von CH Media.

Trotzdem werden die meisten Neuwagen in der Schweiz mit dem Pieps-Assistenten ausgeliefert. Warum? Der Schweizer Markt ist schlicht zu klein für eine Sonderlösung. Das nachträgliche Deaktivieren in der Garage ist kompliziert und riskant, da es in die Sicherheitssoftware des Fahrzeugs eingreift.

Wie Händler erzählen, sind die Reaktionen der Kunden gemischt. «Von Verständnis bis zu komplettem Unverständnis und Ärger über die ‹Bevormundung› erleben unsere Mitarbeitenden in der Garage alles», teilt Dino Graf vom Autohändler Amag mit.

Auch bei der Gurtenpflicht gab es bekanntlich Widerstand

Der «EU-Hilfspolizist» ist beispielsweise auch bei Mercedes-Benz standardmässig eingebaut – und kann nicht ausgeschaltet werden. Viele Kunden würden die «akustische Warnung aber schätzen, da sie vor einer Busse warnt», sagt Sprecherin Livia Steiner.

Doch warum diese strenge Regelung? Die Zahlen sprechen für sich: Auf Europas Strassen sterben jährlich über 20'000 Menschen – ein Drittel davon durch zu schnelles Fahren. Wenn es nach den EU-Verkehrsministern geht, soll die Zahl bis 2050 auf null sinken. Dabei darf nicht vergessen werden: Ähnliche Kritik gab es auch bei der Einführung der Gurtpflicht und der Promillegrenze – heute sind beide selbstverständlich.

Bald soll autonomes Fahren die Warnungen überflüssig machen

Der nervige Piepser könnte sowieso bald Geschichte sein. Denn ab März tritt in der Schweiz eine revidierte Strassenverkehrsordnung in Kraft, die teilautomatisiertes Fahren in bestimmten Situationen erlaubt. Zahlreiche Oberklassewagen – etwa von Tesla, BMW oder Mercedes – sind bereits Autopilot-fähig.

Eine entsprechende Zulassung hat jedoch bisher noch kein Autohersteller beim Astra angefordert. Bis dahin wird der piepsende Tacho-Polizist also wohl oder übel bleiben.

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