Die Bäuerinnen und Bauern brauchen die Giftspritze nicht im Giftschrank zu versorgen. Die beiden Agrar-Initiativen hatten an der Urne keine Chance: Die Trinkwasser-Initiative wird deutlich Nein-Stimmen abgeschmettert. Sie hätte Bauern, die Pestizide verwenden, die Direktzahlungen gestrichen. Auch die Pestizid-Initiative, die ein komplettes Pestizidverbot forderte, ist gescheitert.
Bauern sind sich Siegen gewöhnt
Für die Initianten ist die Niederlage nach jahrelangem Engagement bitter. Bauernpräsident Markus Ritter (54) indes ist sich das Siegen gewöhnt. Die Bauern gehören nach wie vor zu den einflussreichsten politischen Kräften der Schweiz.
Abgesehen von der Schlappe beim Jagdgesetz vergangenes Jahr hat der Bauernverband an der Urne bis jetzt fast immer bekommen, was er wollte. Eine Bilanz, um die sie andere Interessenvertreter beneiden. Immer wieder fragen Unternehmen und Organisationen den SBV für Vorträge über erfolgreiches Lobbying und Kampagnen an. Nach diesem Abstimmungssonntag wird die Nachfrage wohl nochmals steigen.
Ritter, der Meister des Kuhhandels
Aus Sicht von Urs Schneider (62), stellvertretender Direktor des Bauernverbands und Kampagnenleiter, ist die Zutatenliste für das Erfolgsrezept kurz: «Man braucht eine gute Organisation, gute Argumente, Einigkeit und Herzblut», sagt er.
Schneider plaudert das so offenherzig aus, weil er weiss: Ganz so einfach ist es nicht. Verbandspräsident Ritter gilt als einer der gewieftesten Strategen unter der Bundeshauskuppel. Er ist im Umgang freundlich, im Verhandeln knallhart. Der Besitzer von gut zwei Dutzend Milchkühen ist ein Meister des Kuhhandels.
Oberster Schweizer ist Bauer
Und Ritter kann in Bundesbern auf grosse Unterstützung zählen. 13 Prozent der Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind Bauern oder vertreten in anderer Funktion bäuerliche Interessen, fast alle sind Bürgerliche. Damit sind die Landwirte im Parlament mehr als viermal so stark vertreten wie in der Bevölkerung. Im «Landwirtschaftlichen Klub» des Parlaments, einem Lobby-Vehikel des Bauernverbands, sind 100 Parlamentarierinnen und Parlamentarier Mitglied.
Derzeit weiss der Bauernverband gar den höchsten Schweizer in den eigenen Reihen: Nationalratspräsident Andreas Aebi (62, SVP). Der Bauer war 2012 gegen Ritter im Rennen ums SBV-Präsidium unterlegen. Als Präsident der grossen Kammer kann er mitbestimmen, welche Geschäfte das Parlament wann behandelt. Erst kürzlich hat er dafür gesorgt, dass wichtige Umwelt-Geschäfte auf nach dem Abstimmungssonntag verschoben werden.
130 Mitarbeiter und 17 Millionen Franken Budget
Nebst der politischen ist da aber natürlich auch die finanzielle und personelle Schlagkraft des Bauernverbands mit Sitz im aargauischen Brugg. 2020 hatte der SBV ein Budget von rund 17 Millionen Franken, knapp 6 Millionen davon steuern die Bauernfamilien mit Mitgliederbeiträgen bei. Laut Schneider sind schweizweit mehr als 95 Prozent der rund 50'000 Bauernbetriebe dem SBV angeschlossen, hinzu kommen zahlreiche Mitgliederorganisationen – darunter die Agrar-Genossenschaft Fenaco mit einem Jahresumsatz von rund 7 Milliarden Franken. 130 Mitarbeitende sind beim SBV angestellt, rund 60 davon Vollzeit. Zum Vergleich: Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hat rund 70 Mitarbeitende.
Wie viel Geld der SBV in die Nein-Kampagne zu den Pestizid-Initiativen gesteckt hat, behält Schneider für sich. Klar ist aber: Es ist die grösste Kampagne, die der Verband in seiner knapp 125-jährigen Geschichte je geführt hat. Schon 2018 fing man an, Rückstellungen für die Schlacht gegen die Pestizid-Initiativen zu tätigen und mit einem PR-Büro eine Vorkampagne aufzugleisen.
Spendensammlung für Kampagne
Vizedirektor Schneider betont, dass ein Grossteil des Geldes für den Abstimmungskampf von den Bäuerinnen und Bauern selbst stamme. Der SBV hatte eine Spendenaktion lanciert – unverbindliche Spendeempfehlung: 50 Franken pro Bauernfamilie. Von der Pharma- und Chemieindustrie stamme hingegen «keinen Franken», hält er fest. Denn man sei «einzig und allein den Bauernfamilien verpflichtet».
Das war auch gar nicht nötig. Pestizid-Hersteller wie Syngenta und Bayer, aber auch die Lebensmittelproduzenten führten parallel ihre eigenen Kampagnen. Gemeinsam bodigten sie die Pestizid-Initiativen. Und das mit einem mehr als deutlichen Ergebnis.
Trotz Nein zu den Agrar-Initiativen: So weitermachen wie bisher können die Bäuerinnen und Bauern nicht. Das Parlament hat kürzlich ein neues Pestizid-Gesetz beschlossen. Es schreibt fest, dass die Schweiz die Risiken, die mit dem Pestizid-Einsatz verbunden sind, bis in sechs Jahren um 50 Prozent reduzieren muss. Auch gegen die Überdüngung müssen Massnahmen getroffen werden.
Welche genau, muss der Bundesrat jetzt festlegen. Er hat Ende April einen ersten «Massnahmenplan für sauberes Wasser» vorgestellt, zu dem Kantone, Verbände und Parteien derzeit Stellung beziehen können. Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (61) will beispielsweise, dass Bauern keine Direktzahlungen mehr erhalten, wenn sie Pestizide «mit erhöhtem Risikopotenzial» einsetzen. Zudem sollen sie beim Güllen weniger Spielraum haben und Massnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass das Gift in Bäche und Flüsse gelangt.
Die Bauern wehren sich gegen zentrale Elemente des Massnahmenpakets – und können auf Unterstützung im Parlament zählen. Schon nächste Woche stehen zwei Massnahmen für eine grünere Landwirtschaft im National- und Ständerat zur Diskussion. Statt beim Umweltschutz einen Schritt vorwärts zu machen, könnte das Parlament einen Schritt zurück beschliessen.
Trotz Nein zu den Agrar-Initiativen: So weitermachen wie bisher können die Bäuerinnen und Bauern nicht. Das Parlament hat kürzlich ein neues Pestizid-Gesetz beschlossen. Es schreibt fest, dass die Schweiz die Risiken, die mit dem Pestizid-Einsatz verbunden sind, bis in sechs Jahren um 50 Prozent reduzieren muss. Auch gegen die Überdüngung müssen Massnahmen getroffen werden.
Welche genau, muss der Bundesrat jetzt festlegen. Er hat Ende April einen ersten «Massnahmenplan für sauberes Wasser» vorgestellt, zu dem Kantone, Verbände und Parteien derzeit Stellung beziehen können. Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (61) will beispielsweise, dass Bauern keine Direktzahlungen mehr erhalten, wenn sie Pestizide «mit erhöhtem Risikopotenzial» einsetzen. Zudem sollen sie beim Güllen weniger Spielraum haben und Massnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass das Gift in Bäche und Flüsse gelangt.
Die Bauern wehren sich gegen zentrale Elemente des Massnahmenpakets – und können auf Unterstützung im Parlament zählen. Schon nächste Woche stehen zwei Massnahmen für eine grünere Landwirtschaft im National- und Ständerat zur Diskussion. Statt beim Umweltschutz einen Schritt vorwärts zu machen, könnte das Parlament einen Schritt zurück beschliessen.