Nach dem AHV-Kampf steht bereits die nächste Rentenschlacht an. Im Parlament kommt es in der Frühlingssession zur Entscheidung über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Linke und Gewerkschaften haben bereits das Referendum angekündigt, zeichnet sich doch ein bürgerlicher Kompromiss ab.
Klar ist: Im obligatorischen BVG-Bereich, der ein Lohnniveau bis 88'200 Franken abdeckt, soll der sogenannte Umwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent sinken. Das heisst: Auf 100'000 Franken angespartes Altersguthaben gibt es künftig nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Eine Rentenkürzung von 12 Prozent. Eine Lücke, die mit Kompensationsmassnahmen geschlossen werden soll.
Herzstück ist ein Rentenzuschlag für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Einen Zuschlag würden allerdings nur gut die Hälfte dieser Rentnerinnengeneration erhalten – abgestuft nach Alter und Einkommen bis zu maximal 200 Franken monatlich. Der Rest geht leer aus. Die Bürgerlichen haben dieses Modell gegen den Widerstand der Linken durchgepaukt.
Streit um Koordinationsabzug
Der letzte grosse Streitpunkt ist der sogenannte Koordinationsabzug. Von diesem hängt die Höhe des versicherten Lohns ab, auf welchen Beiträge in die Pensionskasse gezahlt werden müssen. Der Ständerat möchte den Koordinationsabzug flexibel auf 15 Prozent des Lohnes beschränken, die zuständige Nationalratskommission möchte ihn auf 12'863 Franken fixieren. Bei einem Bruttolohn von beispielsweise 60'000 Franken müssten je nach Modell auf 51'000 oder auf 47'137 Franken Lohnbeiträge bezahlt werden. Eine 50-Jährige müsste also monatlich rund 298 beziehungsweise 275 Franken monatlich selber in die Pensionskasse einzahlen. Der Koordinationsabzug hat massgeblichen Einfluss, wie viel vom Lohn abgezwackt und ins Rentenkässeli überwiesen wird.
Noch ist offen, welches Modell sich im Nationalrat durchsetzen wird. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat aber die finanziellen Auswirkungen nach Alter und Einkommen berechnet. Diese beziehen sich aber nur auf die Minimalvorgaben des BVG-Obligatoriums, wovon nur etwa ein Siebtel der Versicherten betroffen ist.
Steigt die Rente auch real?
Blick zeigt anhand von drei Beispielen die Auswirkungen auf. Dabei handelt es sich aber nur um eine Annäherung an die Realität, da sich die individuellen Berufskarrieren viel bunter ausgestalten als Standardrechnungen.
45-jährige Kassiererin im Teilzeitjob (3000 Franken monatlich): Rund 90 Franken zahlt sie heute monatlich aus dem eigenen Sack in die Pensionskasse – und erhält damit dereinst eine Pensionskassenrente von rund 400 Franken monatlich. Mit dem Ständeratsmodell müsste sie jeden Monat gut 100 Franken zusätzlich abliefern, die Rente würde auf rund 600 Franken steigen. Setzt sich die nationalrätliche Sozialkommission durch, zahlt sie über 60 Franken zusätzlich und kommt auf rund 500 Franken BVG-Rente. Mit einer AHV-Rente von gut 1800 Franken und der BVG-Rente würde sie also etwa auf 2400 Franken kommen. Damit hätte sie weiterhin Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL).
50-jährige Sekretärin im Vollzeitpensum (5400 Franken): Neu müsste sie je nach Modell monatlich um die 60 bis 70 Franken mehr ins Rentenkässeli zahlen. Davon hätte sie aber nichts. Zumindest nicht auf der Habenseite. Im Ständeratsmodell würde ihre BVG-Rente von heute 550 auf rund 450 Franken sinken. In jenem der Sozialkommission müsste sie mit noch etwas weniger auskommen. Trotz Rentenzuschlag. Auch mit der AHV-Rente von gut 2200 Franken wird es eng.
55-jährige Reinigungsangestellte im Teilzeitjob (2000 Franken): Etwas mehr als 100 Franken beträgt ihre Pensionskassenrente heute. Mit dem Ständeratsmodell würde sie auf gut 300 Franken steigen, mit jenem der Sozialkommission auf gut 250 Franken. Jeweils inklusive Rentenzuschlag. Demgegenüber müsste sie etwas mehr einzahlen – statt wie heute knapp 30 Franken müsste sie neu rund 120 bzw. 70 Franken abdrücken. Doch auch wenn sich die BVG-Rente fast verdreifacht, wären Ergänzungsleistungen nötig. Denn die volle AHV-Rente würde in diesem Fall nur etwa 1100 Franken ausmachen.
Auf Ergänzungsleistungen angewiesen
Die Beispiele zeigen: Gerade Tieflöhnerinnen können ihre Pensionskassenrente zwar aufbessern, trotzdem sind sie allenfalls weiterhin auf Ergänzungsleistungen angewiesen – insbesondere Alleinstehende und Unverheiratete. Bei Verheirateten hat die Einkommenssituation des Partners Einfluss auf AHV und EL – und damit die gesamte Rentensituation.
Bei der EL-Frage setzt die linke Kritik an der Reform an: «Mit dieser Pensionskassenreform wird auf dem Buckel der Geringverdienerinnen einzig bei den Ergänzungsleistungen gespart», wettert SP-Co-Chefin Mattea Meyer (35) im Blick-Interview.
Ins gleiche Horn stösst Gewerkschaftsbund-Zentralsekretärin Gabriela Medici (37): «Die Reform ist eine Farce. Für tiefe Einkommen verschlechtert sich die Situation.» Denn, obwohl sie mehr in die Pensionskasse einzahlen würden, bleibe ihnen im Alter real nicht mehr Geld, weil sie weiterhin auf Ergänzungsleistungen angewiesen seien. «Der Nettolohn der Betroffenen sinkt, während einzig die EL-Kasse entlastet wird.» Das Versprechen auf bessere Frauenrenten werde damit nicht eingelöst. Linke und Gewerkschaften wollen die Rentensituation deshalb mit einer 13. AHV-Rente verbessern.
«Auch viele Geringverdiener wollen Eigenverantwortung übernehmen»
Gegen diesen AHV-Ausbau wehren sich die Bürgerlichen. FDP-Nationalrätin Regine Sauter (56) verteidigt das Kompensationsmodell in der Pensionkassenreform. «Entscheidend ist, dass sich Geringverdiener und Teilzeitbeschäftigte – mehrheitlich Frauen – eine bessere zweite Säule aufbauen können», sagt die Zürcherin.
Das Argument, dass trotzdem viele auf Ergänzungsleistungen angewiesen bleiben, lässt sie nicht gelten. «Auch viele Geringverdiener wollen Eigenverantwortung übernehmen und sich selber etwas ansparen.» Zudem würden auch die Arbeitgeber noch den gleichen Beitrag für jede Arbeitnehmerin einbezahlen. «Viele Frauen fordern seit langem, dass sie ihre zweite Säule verbessern können, weil es dabei auch um Unabhängigkeit geht.»