Der Tod ist für viele ein Tabuthema – für die SP ist er eine potenzielle Geldquelle. Um die Parteikasse zu füllen, hat es die SP auf das Geld verstorbener Genossinnen und Genossen abgesehen. Hintergrund ist das neue Erbrecht, das Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt.
Künftig kann jeder und jede in der Schweiz freier bestimmen, wer das Geld erhält, das er oder sie nach dem Tod hinterlässt. Die sogenannten Pflichtteile, die Kindern und Ehepartnern zustehen, machen neu nur noch die Hälfte aus – deutlich weniger als bisher. Den Rest des Nachlasses kann man vermachen, wem immer man will. Empfänger können nebst Menschen, die einem lieb sind, auch Organisationen oder eben Parteien sein.
Information gespickt mit SP-Werbung
Die SP will sich die Gesetzesänderung zunutze machen. In der Mitgliederzeitschrift wirbt die Partei für einen neuen Testament-Ratgeber, den sie erstellt hat. Die aufwendig gestaltete Broschüre mit Vorwort der Parteipräsidenten Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) erklärt auf 16 Seiten plus umfangreichem Anhang, was es zu tun gilt, um seinen Willen festzuhalten. Und welche Möglichkeiten es gibt, dabei die SP zu berücksichtigen.
Gespickt sind die informativen Anleitungen zu Testament, Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag mit Parteiwerbung. So enthält der Ratgeber unter anderem zahlreiche fiktive Zitate von SP-Mitgliedern, die von einem sogenannten Legat an die SP überzeugen sollen. Da steht zum Beispiel: «Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mein Leben selbstbestimmt leben kann. Mit einem Legat an die SP Schweiz bin ich sicher, dass ich zu Werten beitrage, die mein Leben überdauern.» Und natürlich gibts auch ein Muster-Testament, das man als Vorlage verwenden kann.
«Das Potenzial ist riesig»
Man wolle die Mitglieder, Sympathisantinnen und Spender mit dem Ratgeber aufklären und für das Thema sensibilisieren, sagt Regula-Sibylle Schweizer (59), die bei der SP für die sogenannte Nachlassplanung zuständig ist. Vergangenes Jahr hat die SP kein einziges Legat erhalten, das soll sich künftig ändern. «Das Potenzial in der Schweiz ist riesig und wird in den nächsten Jahren noch grösser werden», sagt Schweizer. Von den Milliarden, die jedes Jahr vererbt werden, komme Schätzungen zufolge derzeit weniger als 1 Prozent gemeinnützigen Organisationen zugute.
Die SP ist deshalb nicht die einzige Partei, die auf diese Einnahmequelle schielt. Heute spielen Legate laut eigener Aussagen bei keiner Partei eine grosse Rolle. Anders als bei Non-Profit-Organisationen, die aktiv dafür werben. Als Vorreiterin in Sachen Erbschaftsmarketing gilt die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Rund 10 Prozent der Einnahmen von Greenpeace Schweiz stammen aus Legaten und Erbschaften.
Auch Grüne und GLP wollen darauf setzen
Die Grünen wollen sich davon ebenfalls eine Scheibe abschneiden. «Da der Umgang mit dem Tod ein äusserst sensibles Thema ist, haben wir bisher nur diskret darauf aufmerksam gemacht», sagt Florian Irminger (39), Generalsekretär der Grünen. Nun sei aber geplant, die Kommunikation zu diesem Thema zu intensivieren.
Ähnliches ist von den Grünliberalen zu hören. «Legate sind ein Thema, das wir uns sicher noch genauer anschauen müssen, gerade auch im Kontext des revidierten Erbrechts», sagt GLP-Co-Generalsekretär Ahmet Kut (45). Aktuell rufe man nicht explizit dazu auf. Es müsse aber das Ziel sein, dass Erblasserinnen und Erblasser «künftig auch die GLP für Zuwendungen in Betracht ziehen».
SP hat keine Berührungsängste
Die Mitte und die FDP hingegen teilen auf Anfrage mit, nicht aktiv für Legate zu werben – und sie haben auch nicht vor, das zu ändern. Auch bei der SVP ist dies offenbar nicht geplant. Die Partei hat vor vielen Jahren über die Stiftung für bürgerliche Politik in ihrer Mitgliederzeitschrift für Legate geworben. Heute tut sie das nicht mehr.
Während andere Parteien zurückhaltend sind, findet es die SP nicht heikel, so unverblümt um Spenden nach dem Tod zu bitten. Der Testament-Ratgeber werde schliesslich nicht einfach so zugeschickt, sondern nur auf Verlangen, sagt SP-Nachlassplanerin Regula Schweizer. «Das heisst, dass sich die meisten, die den Ratgeber bestellen, sich mit diesem Thema schon ein bisschen auseinandergesetzt haben oder es in Zukunft vermehrt zu tun gedenken.»