Vergangenen Frühling hat der Bund darauf verzichtet, bei Lonza in Visp VS einzusteigen und sich an der Produktion des Moderna-Impfstoffes zu beteiligen. Ob das ein Fehler war und ob damit die Schweiz überhaupt früher an den Stoff gekommen wäre, wird nun das Parlament unter die Lupe nehmen.
So eindeutig scheint das Angebot von Lonza, bei der Produktion einzusteigen, zudem nicht gewesen zu sein. Gegenüber der «Rundschau» von SRF krebst Lonza-Chef Albert Baehny (68) zurück: «Ich möchte leicht korrigieren. Ich habe gefragt: Ist der Bund allenfalls interessiert, in Kapazitäten zu investieren?» Nun könne man darüber streiten, ob Kapazitäten eine eigene Produktionsstrasse bedeute. «Das ist ein Wortspiel – es spielt für mich keine Rolle.»
Baehny wartet aufs Telefon
Für die Zukunft ist aber der Zug keineswegs abgefahren. So wartet Baehny geradezu auf ein Telefon von Gesundheitsminister Alain Berset (48). «Eine weitere Produktionsstrasse aufzubauen, ist theoretisch möglich», sagt er. Allerdings brauche dies seine Zeit: nämlich mindestens zehn Monate. Auch Moderna, welcher der Impfstoff letztlich gehört, habe nach wie vor grosses Interesse.
Berset selbst kontert dazu, dass er durchaus versucht habe, bei Lonza-Chef Baehny anzurufen – ihn aber nicht erreicht hätte. Ein neuer Kontakt solle nun aber rasch erfolgen. Nur: Was genau besprochen wird, wenn die Leitungen zwischen Bern und Visp dereinst stehen, lässt er offen. «Alle Möglichkeiten müssen ausgelotet werden», so Berset. Eine engere Zusammenarbeit mit Lonza sei möglich, aber von weiteren Faktoren abhängig.
Erwartungen an Bundesrat
Für Gesundheitspolitiker ist der Fall aber klar: Es ist Zeit, dass Berset das Telefon wieder in die Hand nimmt. So erwartet Ruth Humbel (63, Die Mitte), Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission, dass der Bundesrat nun «offensiver vorgeht» – und in eine eigene Produktionsstrasse für den Corona-Impfstoff investiere. «Es ist im Interesse der Schweiz vorzusorgen», sagt sie, schliesslich müsse man davon ausgehen, dass in Zukunft Auffrischimpfungen nötig sein werden.
Ins gleiche Horn stösst auch FDP-Gesundheitspolitiker Philippe Nantermod (36, VS). «Ich erwarte, dass der Bundesrat entsprechende Schritte unternimmt.» Der mRNA-Impfstoff von Moderna habe schliesslich den Vorteil, dass man ihn schnell an Mutationen anpassen könne.
Zu spät, um einzusteigen?
Anderer Meinung ist Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (62, Die Mitte): Prüfen müsse man das Angebot auf jeden Fall, sagt sie. Aber: «Jetzt bei Lonza einzusteigen, scheint mir eher zu spät.» Der Fokus müsse darauf liegen, genügend Impfstoffe für die aktuelle Kampagne zu beschaffen – was in zehn Monaten sein werde, müssten Experten einschätzen.
BLICK hat bei einem Experten nachgefragt: Andrin Oswald, der für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Sachen Impfstoffe verhandelt hat. «Eine Investition ist noch keine staatliche Produktion», gibt dieser zu bedenken – und wie eine Investition aussehe, hänge von diversen Kriterien ab, weshalb er «kein Pauschalurteil» abgeben könne. Aber: Eine Zusammenarbeit mit Impfstoffherstellern wie Moderna, die via Lonza auch in der Schweiz produzieren, mache sicher für die Zukunft Sinn. «Covid-19 wird ja kaum die letzte Pandemie sein.»