Knappheit selbst verschuldet?
Bund verzichtet auf eigenen Impfstoff – FDP droht mit PUK

Hätte die Schweiz die Impfstoff-Knappheit vermeiden können? Pharmazulieferer Lonza hatte dem Bund den Aufbau einer eigenen, staatlichen Impfstoff-Produktion angeboten. Doch die Schweiz lehnte ab. Für die FDP ist das «ein Donnerschlag».
Publiziert: 11.03.2021 um 10:50 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2021 um 22:55 Uhr
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Die Impfkampagne kommt in der Schweiz nur schleppend voran.
Foto: Getty Images

Bei der FDP sorgte die Nachricht für einen «Donnerschlag». Schliesslich kommt die Impfkampagne gegen Corona in der Schweiz nur langsam voran. Das aber müsste vielleicht gar nicht sein. Der Bund hätte es in der Hand gehabt und selber für die Versorgung mit Vakzinen sorgen können. So könnte er heute eine eigene Produktionsanlage für den Moderna-Impfstoff bei Lonza in Visp VS haben – die einzig für die Schweiz produziert.

Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hat Lonza-Präsident Albert Baehny dem Bund ein entsprechendes Angebot gemacht. Dieser aber lehnte ab: «Es müsste die Gesetzesgrundlage angepasst werden, um in eine staatliche Impfstoffproduktion zu investieren. Und auch eine staatliche Produktion könnte nicht sofort genügend Dosen für alle bereitstellen», wird Nora Kronig vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) zitiert. Weder Lonza noch Moderna hätten einen Kommentar abgeben wollen.

«Unverständlich und skandalös»

«Da der Impfstoff der einzige Weg aus der Krise ist, ist eine solche Entscheidung des Bundes unverständlich und skandalös», findet die FDP. Denn eine nationale Produktionslinie hätte es ermöglicht, «direkt zusätzliche und sofort verfügbare Impfstoffdosen für die Schweizer Bevölkerung zu produzieren, um die Durchimpfung zu beschleunigen und die Dauer der Krise erheblich zu verkürzen».

Offensichtlich brauche es eine Gesetzesänderung, um Impfstoffe in der Schweiz zu produzieren. Via Medienmitteilung fordert die Partei vom Bundesrat und insbesondere von Innendepartement von Gesundheitsminister Alain Berset (48), die Situation bereits an einer allfälligen Bundesratsmedienkonferenz vom Freitag umfassend zu erklären.

Doch damit nicht genug. Der Freisinn bringt bereits weitere Instrumente ins Spiel. So solle das Parlament die Vorgänge untersuchen lassen – entweder von der Geschäftsprüfungskommission GPK oder allenfalls sogar von einer parlamentarischen Untersuchungskommission PUK.

«Für uns war immer klar, dass am Anfang eine Knappheit herrscht»

Allerdings: Im Grunde ist es schon lange ein bisher unumstrittener Standpunkt der Schweiz, dass der Staat keine Industriepolitik betreibt – und damit keine Steuergelder direkt in Unternehmen investiert. Und gerade auch die Pharmabranche hat sich bisher stets gegen staatliche Investitionen ausgesprochen, um ihre internationale Unabhängigkeit zu wahren.

«Wir haben uns darauf konzentriert, einerseits sehr früh internationale Organisationen zu unterstützen und andererseits selbst Impfstoffe zu beschaffen», so BAG-Vizedirektorin Kronig weiter. «Für uns war immer klar, dass am Anfang eine Knappheit bei den Impfstoffen herrscht.» Es gebe Produktionsgrenzen, die nur die Zeit lösen werde. Die Jahresproduktion könne nicht gleich in den ersten Monaten bereitstehen.

Völlige Unabhängigkeit wäre ohnehin kaum zu erreichen gewesen

Lonza hat von Moderna den Auftrag, in Visp und den USA 400 Millionen Dosen herzustellen, machte aber immer klar, dass die Produktion noch deutlich ausgebaut werden könnte. Im vergangenen November betonte Baehny etwa, Lonza habe im Wallis Platz für weitere Produktionsanlagen.

Wäre eine Anlage erst einmal angelaufen, wäre der Bedarf für die Schweiz in wenigen Wochen produziert, schreibt der «Tages-Anzeiger» weiter. Allerdings: Völlig unabhängig vom Ausland wäre die Impfstoff-Produktion wohl auch weiterhin nicht gewesen. So wird das Vakzin beispielsweise im Ausland abgefüllt, was wohl auch weiterhin der Fall gewesen wäre. (dba)

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