Im Chalet Almenrausch auf der Walliser Bettmeralp ist die Erleichterung gross. Auch in Zukunft wird sich hier ein Arzt um kranke Anwohner und verletzte Touristinnen kümmern. Die Alpenpraxis ist gerettet – dank Einsicht in Bern.
Nach dem Nationalrat hat am Donnerstag auch der Ständerat beschlossen, die Zulassungsregeln für Ärztinnen und Ärzte in Ausnahmefällen wieder etwas zu lockern. Zumindest befristet. Anfang 2022 erst war ein neues Gesetz in Kraft getreten, das nicht nur die Praxis auf der Bettmeralp in Nöte gebracht hat. Die neue Vorschrift: Ein Arzt muss mindestens drei Jahre an einem Schweizer Spital oder einem anderen anerkannten Weiterbildungsort gearbeitet haben, dass er selbst eine Praxis führen darf.
Ausnahmen für Randregionen
Die Verschärfung macht die Suche nach Nachfolgern für Arztpraxen gerade in Randregionen noch schwieriger. Auf der Bettmeralp wäre mit dem Deutschen Joachim Friese zwar ein Nachfolger für den gesundheitlich angeschlagenen Bergdoktor Gregor Müller (65) gefunden. Doch auch wenn er mehrere Jahre in der Schweiz gearbeitet hat, kann er wegen des neuen Gesetzes die Praxis nicht allein übernehmen.
Auf Druck der Kantone hat das Parlament nun gehandelt. Und gerade einmal 14 Monate nach Inkrafttreten das Gesetz wieder geändert. Herrscht eine medizinische Unterversorgung, kann ein Kanton künftig in gewissen Fachbereichen Ausnahmen von der Drei-Jahre-Regel bewilligen. Die Änderung soll schon in zwei Wochen in Kraft treten. National- und Ständerat müssen beide noch grünes Licht geben für die Turbo-Umsetzung. Das ist aber Formsache.
«Ein grosser Stein vom Herzen gefallen»
«Heute ist mir und meinem Kollegen Joachim Friese ein ganz grosser Stein von meinem Herzen gefallen», sagt Arzt Gregor Müller. Für ihn bedeutet der Entscheid, dass er nun bald in die ersehnte Pension gehen kann.
Friese freut sich indes, bald die Praxis vollständig übernehmen zu können. «Besonders schön ist, dass das, was sich die letzten Monate schon wie ein Zuhause angefühlt hat, jetzt auch mein Zuhause werden kann. Und ich nicht zur Abreise gezwungen werde», sagt er. Gemeinsam mit Vize-Gemeindepräsidentin Silvia Imwinkelried stiessen die beiden Ärzte mit einer Tasse Kaffee auf den ersehnten Parlamentsentscheid an.
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SVPler wollten keine Ausnahme für Kinderpsychiater
In National- und Ständerat herrschte weitgehend Einigkeit, dass man handeln muss. Die Ständerätinnen und Ständeräte stimmten einstimmig für die Änderung – nur der St. Galler Benedikt Würth (55, Mitte) hat sich enthalten. Im Nationalrat gab es einzig aus der SVP Widerstand.
Den Gegnern geht die beschlossene Ausnahmeregelung zu weit. Sie wollten, dass sie nur für Hausärzte und Kinderärztinnen gilt, nicht aber für Kinder- und Jugendpsychiaterinnen sowie -psychotherapeuten.
Mit jedem neu zugelassenen Psychiater würden die Gesundheitskosten steigen, warnte der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner (60) in der Debatte am Dienstag. «Viele Therapien könnten gespart werden, wenn Eltern mit ihren Kindern freie Zeit verbringen würden», behauptete er. Am besten sei es, in den Wald zu gehen. «Das gemeinsame Bauen einer Waldhütte oder Stauen eines Baches erspart später manche Therapiestunde.» Ein Argument, das nicht einmal die ganze SVP-Fraktion überzeugte.