Parlament entschärft Via sicura
Wird der Verkehr wieder weniger sicher?

Knapp zehn Jahre ist es her, dass mit der Einführung von Via sicura auch der Raserartikel in Kraft getreten ist. Nun zieht das Parlament diesem die Zähne. Aus gutem Grund, findet SVP-Nationalrat Thomas Hurter.
Publiziert: 01.06.2022 um 18:11 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2022 um 20:13 Uhr
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Raser mussten bislang zwingend mindestens ein Jahr ins Gefängnis.
Foto: steinjuergen
Tobias Ochsenbein, Gianna Blum, Rebecca Spring

Wer rücksichtslos rast und dabei ertappt wird, erhielt bislang mindestens eine bedingte Gefängnisstrafe von einem Jahr. Das soll künftig nicht mehr automatisch passieren: Am Dienstag hat der Ständerat einstimmig den sogenannten Raserartikel in mehreren Punkten entschärft.

Kritikern war der Automatismus schon lange ein Dorn im Auge. «Natürlich werden Raser auch in Zukunft bestraft!», verteidigt SVP-Nationalrat Thomas Hurter (58) den Entscheid. Mit der neuen Regelung würden in erster Linie die Richter Spielraum erhalten, wie hart sie die Strafe ausfallen lassen, betont er gegenüber Blick.

Enttäuscht ist dagegen SP-Verkehrspolitikerin Gabriela Suter (49). Die bislang hohen Strafen hätten eine präventive Wirkung gegenüber Rasern gehabt, zeigt sich die Aargauer Nationalrätin überzeugt. «Den Raserartikel schon wieder zu lockern, ist für mich unverständlich.»

«Die Lockerung des Raser-Gesetzes ist unverständlich»
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SP-Nationalrätin Suter:«Die Lockerung des Raser-Gesetzes ist unverständlich»

Weniger Tote, gleich viele Unfälle

Tatsächlich ist das Verkehrspaket Via sicura erst seit knapp zehn Jahren in Kraft. Doch hat es die Strassen wirklich sicherer gemacht? Die Unfallstatistik des Bundesamts für Strassen (Astra) zeigt, dass die Anzahl Unfälle insgesamt seit der Einführung 2013 jährlich fast konstant bei durchschnittlich 21'500 lag. Es hat aber eine Verschiebung von schweren hin zu leichteren Unfällen stattgefunden. Allerdings ist die Zahl der schweren Unfälle in den letzten zwei Jahren wieder leicht angestiegen.

Dafür ist die Zahl der Toten pro Jahr zurückgegangen. 2019 gab es erstmals weniger als 200 Verkehrstote – auch da ist aber die Zahl in den beiden Folgejahren wieder über 200 gestiegen. Insofern ist der Strassenverkehr also wahrscheinlich ein Stück weit sicherer geworden. Die Anzahl Unfälle konnte Via sicura aber offensichtlich nicht reduzieren.

«System funktionierte»

Auch für Willi Wismer, Stiftungspräsident von Road Cross, ist es schwierig, nach knapp zehn Jahren eine Bilanz zu ziehen. «Ich glaube, es ist letztlich die Summe aller Teile, die Via sicura zu einer guten Sache macht», sagt er. Mit den geplanten Lockerungen befürchtet Wismer nun wieder mehr Unfälle. «Via sicura hat eine präventive Wirkung, dieses System funktioniert heute gut», sagt er. Und: Die Bevölkerung stehe laut einer Umfrage zu fast 70 Prozent hinter dem Raserartikel.

Die Bilanz von Via sicura sei gut, befand aber etwa auch Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga (62) bereits im Frühling. Gemäss einer Evaluation hätten zwischen 2013 und 2015 mindestens 100 Schwerstverunfallte im Strassenverkehr verhindert werden können, sagte sie. Das Parlament wird Sommaruga nun doch zur Umsetzung der Gesetzesrevision verknurren.

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