Reis und Teigwaren aus der Abfüllstation, Putzmittel in die mitgebrachte Flasche abfüllen: Unverpackt liegt in der Schweiz im Trend – und selbst die Grossverteiler sind bereits aufgesprungen. Nicht möglich ist der Verzicht auf die Verpackung aber bislang bei Tiefkühlprodukten, die nur vorverpackt über die Schweizer Ladentische gehen dürfen.
Das könnte sich bald ändern: Ein Vorstoss des Zürcher FDP-Nationalrats Andri Silberschmidt (27) ist nach dem Nationalrat auch in der zuständigen Ständeratskommission diskussionslos durchgewunken worden. Und auch der Bundesrat hat sich für den Vorschlag offen gezeigt. «Wenn der Offenverkauf erlaubt wird, ist viel Innovation möglich», zeigt sich Silberschmidt überzeugt. Nur schon, um bei der Verpackung zu sparen, wäre eine Legalisierung sinnvoll, findet er.
Momos mussten abgepackt werden
Die Debatte ausgelöst hatte der Fall des Schwyzer Jungunternehmens Dinnair von Peter Zihlmann (38). Seine Firma produziert Momos, Capuns oder Ravioli und verkaufte sie offen in einer Gefriertruhe statt in Plastik. Die Kundschaft konnte sich mit eigenen Behältern bedienen – und damit Abfall vermeiden.
Abgesegnet war das ursprünglich auch vom Lebensmittelinspektorat. Bis der Bund nach einem Jahr Sand ins Getriebe warf: Denn laut Hygieneverordnung müssen tiefgefrorene Lebensmittel vorverpackt sein. Begründet seitens Bund wurde das damit, dass die Regelung wegen den bilateralen Verträgen übernommen wurde.
Auch das Schwyzer Laboratorium machte daraufhin einen Rückzieher. Und Zihlmann musste seine Produktion vorübergehend einstellen – um seine Ware von Hand in Säckli abzufüllen. «Für uns ist damals eine Welt zusammengebrochen», erinnert er sich.
EU regelt Offenverkauf nicht
Nur: Auf EU-Ebene gibt es gar kein solches Verbot, das die Schweiz übernehmen müsste. Die entsprechende EU-Verordnung regelt nur die Lieferung an den Endverbraucher, nicht aber den Offenverkauf. Dass die Schweizer Hygiene-Verordnung trotzdem ein Verbot kennt, sei «ein typisches Beispiel für Überregulierung», findet Silberschmidt. «Offensichtlich ist es gesundheitlich unbedenklich, auch Tiefkühlprodukte offen zu verkaufen, wenn bestimmte Regeln eingehalten werden.»
Beispiele solcher Regeln gibt Silberschmidt in seinem Vorstoss gleich selbst: So könne etwa das Risiko von Gefrierbrand vermieden werden, wenn die gesamte Lagerung und Logistikkette in geschlossenen Mehrwegbehältern und ohne Luftaustausch stattfinde. Im Offenverkauf würden auch nur diese Mehrwegbehälter geöffnet, die in wenige Wochen leer seien – wodurch auch Austrocknen verhindert werde. In der Tiefkühltruhe seien die Produkte zudem mit dem Glas-Schiebedeckel geschützt, der als Spuckschutz diene und gleichzeitig Kontanimation verhindere.
Coop will Offenverkauf prüfen
«Hygienisch ist der Offenverkauf absolut unbedenklich», sagt auch Peter Zihlmann. Der Verkauf funktioniere sowohl bedient wie auch in Selbstbedienung. «Mittels eigens entwickelter Halterung für eine Bedienzange an der Tiefkühltruhe ist das kinderleicht und absolut hygienisch möglich.»
Bei Dinnair ist man nun schon fast in Feierlaune. Da Silberschmidts Vorstoss in den Kommissionen und im Nationalrat kaum zu reden gab, dürften die Aussichten auch im Ständerat gut sein. «Wir hoffen sehr darauf, zum Offenverkauf zurückkehren zu können», sagt Zihlmann. Ganz von den Verpackungssäckli verabschieden will er sich aber nicht, da man auch damit gute Erfahrungen gemacht habe.
Auch ausserhalb von Unverpackt-Läden stösst der Offenverkauf auf Interesse: Die Grossverteiler sind nicht grundsätzlich abgeneigt: Man beobachte die Entwicklungen dabei, Verpackungen zu reduzieren laufend, heisst es bei Coop. Den diskutierten Offenverkauf «prüfen wir gesamtheitlich, insbesondere unter Berücksichtigung der Produktqualität».